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Die Therapeutische Wohngruppe Tristanstraße feiert Jubiläum

Zusammenfassung: Am 01. August 1984 öffnete die Therapeutische Wohngruppe Tristanstraße des kbo-Heckscher-Klinikums ihre Türen – und seitdem hat sich einiges getan. Im Interview verrät der Leiter der Einrichtung, Thomas Melcher, was die Einrichtung ausmacht, warum ein zeitlich begrenztes Leben in der Wohngruppe für Jugendliche besonders wertvoll ist und wie das engagierte Team gemeinsam mit den Jugendlichen immer wieder über sich hinauswächst.

Von Ruth Alexander am

Themen:

Mit 40 steht man ja mitten im Leben. Gilt das auch für die WG?

Thomas Melcher – T. M.: Ich würde eindeutig sagen: „Ja, klar!“ Wir haben uns einerseits ein stabiles Grundgerüst an Haltungen, Strukturen, Werten und Regeln erarbeitet und auch viele Erfahrungen gesammelt, so dass uns nicht jede Irritation erschüttert. Andererseits sind wir aber auch noch neugierig und flexibel genug, um auf Herausforderungen und Veränderungen zu reagieren. Und unsere Kids – deren Alter ja immer gleich bleibt – halten uns sowieso fit. Und ist 40 nicht das neue 30?

 

Zu Beginn hieß die Wohngruppe „Übergangseinrichtung der Heckscher-Klinik“. Wie sehen Sie die WG heute? Hat sich am Konzept grundlegend etwas verändert?

T. M.: Dieser Namenszusatz beschreibt für mich immer noch den entscheidenden Punkt und ich verwende ihn sehr bewusst bei Infogesprächen und Veranstaltungen. Wir sind eine vollbetreute Einrichtung der Jugendhilfe, in der der Aufenthalt von vornherein zeitlich begrenzt ist. Er dauert mindestens ein, höchstens zwei Jahre. Wir verstehen diese Zeit als eine Art „Trainingslager“, begleiten den Übergang der Jugendlichen in der Regel nach einem oder mehreren Klinikaufenthalten wohin auch immer: zurück in die Familie, in eine weniger betreute Wohnform, die teil- oder einzelbetreut ist, oder gelegentlich auch in eine längerfristige Betreuung.

 

Warum ist das zeitlich befristete Leben in einer WG wie dieser für die Jugendlichen richtig?

T. M.: Weil diese zeitliche Begrenzung von vornherein Struktur gibt. Die Jugendlichen wissen von Anfang an, es ist nicht „für immer“. Sie lassen sich so auch auf unangenehme Regeln ein, können sie eher akzeptieren, zum Beispiel das Alkoholverbot oder die begrenzten Ausgangszeiten. Diese zeitliche Befristung macht den Aufenthalt durchaus wertvoller und die Jugendlichen wachsen letztlich aus dem doch auch engen Rahmen heraus.

Was ist das Besondere an der Arbeit in diesem WG-Team?

T. M.: Das Hauptziel in der Arbeit mit unseren Jugendlichen ist ja immer, ihre größtmögliche Verselbstständigung und Selbstverantwortung zu erreichen. Das bedeutet, dass wir das auch als Team vorleben müssen. Wir versorgen das Haus weitgehend selbst und es gibt ganz bewusst weder Putzmann, Koch noch Gärtnerin. Die Arbeit in unserem Team ist also einerseits sehr vielseitig und abwechslungsreich. Sie ist pädagogisch, therapeutisch, aber auch ganz lebenspraktisch und erfordert viel eigene Selbstständigkeit und den Blick aufs Ganze. Andererseits müssen wir uns natürlich sehr eng absprechen und vernetzen, auch um Spaltungen zu vermeiden.

Eine große Besonderheit dieses Teams ist sicher die Stabilität. Das alte Team hat zum Teil über Jahrzehnte zusammengearbeitet, bis die Kolleginnen und Kollegen nach und nach in Rente gegangen sind. Jetzt ist es großartig, zu sehen, wie die nächste Generation hochengagierter Kolleginnen sich mit Professionalität, Freude, Herzblut und ganz viel Energie diesem Ringen um die jeweils bestmögliche Lösung stellt und die WG damit weiterentwickelt.

 

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem „Mutterhaus“ des kbo-Heckscher-Klinikums in München Giesing?

T. M.: Als einzige Jugendhilfeeinrichtung bei kbo – und noch dazu als sehr kleine, fallen wir immer wieder etwas aus der Reihe, denn viele Klinikstrukturen passen nicht auf unser „kleines, gallisches Dorf“. Es freut uns sehr, dass uns die Selbstständigkeit, das Vertrauen und die Flexibilität, die wir so notwendig brauchen, von Seiten der Klinikleitung entgegengebracht werden. Wir werten die Sanierung des Hauses, die 2022/23 endlich stattfinden konnte, auch als Würdigung für unsere Einrichtung. Das freut uns sehr.

 

Gibt es etwas, das Sie gerne noch loswerden wollen?

T. M.: Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen kitschig und natürlich gelingt es auch nicht immer in jedem Einzelfall: aber dabei sein zu dürfen, wenn positive Veränderung gelingt, wenn Entwicklung bei den Jugendlichen passiert, die sich uns anvertraut haben, wenn die Perlen, die ja ohnehin schon da sind, sich öffnen und glänzen: das ist schon immer etwas ganz Besonderes, das uns alle immer wieder freut und berührt.

 

Lieber Herr Melcher, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute für die Therapeutische Wohngruppe Tristanstraße!