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Selbstwertgefühl wächst im Garten

Zusammenfassung: David Tremmel ist als Quereinsteiger zu kbo gekommen und arbeitet nun in seinem liebsten Ambiente: im Freien. Als Leiter des Bereichs Arbeitstherapie Gartengestaltung im Maßregelvollzug des kbo-Isar-Amper-Klinikums Taufkirchen betreut er die Patientinnen der Frauenforensik. Gemeinsam mit seiner Gartengruppe kümmert er sich um die Grünanlagen des Areals. Wie sehr der Umgang mit Saaten und Pflanzenerde die Patientinnen und auch ihn selbst bereichern, erzählt er im Interview.

Von Nina Schinharl am

Themen:

Herr Tremmel, welchen Stellenwert hat Gartenarbeit für Sie persönlich?

David Tremmel – D. T.:
Da ich als Kind auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen bin, hatte ich die Arbeiten in der Natur bereits in jungen Jahren kennengelernt. Für mich bedeutet Gartenarbeit Bewegung an frischer Luft, körperliche Betätigung und Freude. Zudem ist es immer schön, dass man nach getaner Arbeit ein sichtbares Ergebnis erhält.

Wie sind Sie in den Garten des kbo-Maßregelvollzugs gekommen?

D. T.: Seit Oktober 2016 arbeite ich als Quereinsteiger im kbo-Maßregelvollzug in der Frauenforensik im Bereich der Arbeitstherapie (AT). Anfangs habe ich im Bereich der industriellen Fertigung gearbeitet. Nach zwei Jahren habe ich die Möglichkeit bekommen, mich neben meiner Arbeit in Form eines zweijährigen Fachlehrgangs zum Arbeitsanleiter beim AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg e. V. weiterzubilden. Nachdem ich nun seit circa zweieinhalb Jahren den Bereich der AT-Gartengestaltung leite, könnte ich mir gut vorstellen, eine Weiterbildung zum Gartentherapeuten zu machen.

Wie sieht Ihre tägliche Arbeit in der Praxis aus?

D. T.: Die Patientinnen beginnen um 8.30 Uhr mit den täglich notwendigen Arbeiten, die sie anhand der Aufgabenliste „Tägliche Arbeiten“ einsehen können. Dabei ist auf die unterschiedliche Belastbarkeit der Patientinnen zu achten. Je nach Tagesform werden Alleinarbeit sowie Gruppenarbeiten angeboten. Zum Ende der täglichen AT-Einheit findet mit den Patientinnen eine abschließende Besprechung statt.

Die AT-Gartengestaltung findet an fünf Tagen pro Woche (insgesamt 23 Stunden) statt. In den Monaten Juni bis September übernehmen die Patientinnen die notwendigen Gartenarbeiten im Wechsel am Wochenende eigenständig.

Die Arbeit der AT-Gartengestaltung ist jahreszeitlich bedingt sehr unterschiedlich. Im Frühjahr beinhaltet sie vor allem Hochbeete aufzustellen, gegebenenfalls zu erneuern und zu befüllen, die Mitarbeit beim Baum- und Heckenschnitt, Sitzgelegenheiten im Gartenbereich aufzubereiten und wieder aufzustellen sowie das Ausbringen der ersten Saaten und Pflanzen.

Im Sommer ist neben der Pflege und Ernte der Beete auch auf die Sauberhaltung der Wege zu achten. Darüber hinaus ist häufig die Mithilfe beim Rasenmähen erforderlich. Des Weiteren kümmert sich die Gartengruppe um die Pflege weiterer Freizeitanlagen im Gelände.

Im Herbst ist neben der hoffentlich reichlichen Ernte viel Aufräumarbeit, zum Beispiel Laub, zu leisten. Außerdem nutzen wir die Zeit, um Projekte zu planen, die wir dann in den Herbst- und Wintermonaten umsetzen, wie den Bau von Futterhäusern oder Nistkästen für Vögel oder Dekoartikel aus Holz für den Gartenbereich.

Einmal jährlich im Herbst unterstützt die AT-Gartengestaltung das ortsansässige Mehrgenerationenhaus beim großen Reinemachen der Gartenanlage.

Inwiefern bemerkt man, dass die Arbeitstherapie im Garten Patientinnen unterstützt?

D. T.: Arbeitstherapie in Form von Gartenarbeit ist im Ergebnis sichtbar und nachhaltig. Es bedarf einer gewissen Ausdauer und Zuverlässigkeit, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Somit können die Patientinnen die Erfahrung sammeln, dass sie durch verantwortliches und pflichtbewusstes Arbeiten gute Erfolge erzielen können. Dadurch kann ihr Selbstwertgefühl enorm gesteigert werden.

Für welche Patientinnen ist die Therapie besonders geeignet?

D. T.: Grundsätzlich ist diese Therapie für alle Patientinnen geeignet, die ein Interesse an der Arbeit in und mit der Natur haben. Besonders Patientinnen mit depressiven Verstimmungen oder einem geringen Selbstwert profitieren von diesen Tätigkeiten. Zu sehen, was man mit den eigenen Händen erschaffen kann, gibt ihnen positives Feedback.

Die AT-Gartengestaltung bietet den Patientinnen die Möglichkeit, sich für ein künftiges Arbeitsleben zu erproben. Im Bereich der Gartenarbeit wird von den Patientinnen Zuverlässigkeit, eine gewisse Belastbarkeit und eine selbstständige Arbeitsweise gefordert.
Die Arbeit in den Gruppen fördert gegenseitige Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und Durchsetzungsvermögen.

Viele Patientinnen erfahren im Rahmen der Gartenarbeit durch Gespräche mit Außenstehenden nach langer Zeit wieder eine Wertschätzung. Dadurch können sie eine positive Einstellung und ein gestärktes Selbstbewusstsein für das Leben nach der Therapie erlangen.

Was war in Ihrem Berufsleben bisher der schönste Moment?

D. T.: Seit ich in der AT-Gartengestaltung arbeite, gab und gibt es viele schöne Momente. Es ist für die Patientinnen und für mich immer sehr aufbauend, wenn Besucher sich anerkennend äußern. Der Gartenbereich mit Sitzgelegenheiten ist für jedermann zugänglich und wird somit von vielen als Ruhe-Oase geschätzt. Die Patientinnen sichtlich stolz darüber zu sehen, was sie täglich leisten, macht auch mich glücklich und zufrieden.