Vergangen, aber nicht vergessen: kbo fördert die Erinnerungskultur an die NS-Zeit, um aus der Geschichte zu lernen
Zusammenfassung: Während der nationalsozialistischen Diktatur 1933 bis 1945 wurden die damaligen Anstalten Eglfing-Haar und Taufkirchen (Vils), beide Standorte des heutigen kbo-Isar-Amper-Klinikums, und die Heil- und Pflegeanstalt Gabersee, das heutige kbo-Inn-Salzach-Klinikum, Orte unmenschlicher Verbrechen. Es kam zu massenhaften Zwangssterilisationen und tausendfachem Krankenmord. kbo stellt sich dieser grausamen Vergangenheit. Wir sehen uns in der Verantwortung, den Opfern ihre Namen zu geben, die Täter zu benennen und die Erinnerung lebendig zu halten, um aus unserer Geschichte zu lernen.
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amEinige unserer Einrichtungen bestehen bereits seit über 100 Jahren. Sie waren und sind kontinuierlich Behandlungsort für Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder Behinderung – vor, während und nach der NS-Zeit.
Auch deswegen nehmen wir eine besondere Verantwortung gegenüber den bei uns behandelten Menschen wahr. Gegenüber Menschen, die sich in akuten Krisen befinden ebenso wie gegenüber denen, die durch dauerhafte Einschränkungen in ihrer Teilhabe am Leben benachteiligt sind.
Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Krankenmorde sehen wir zum einen als Verpflichtung im Sinne der Erinnerungsbewahrung. Sie ist aber auch Leitfaden und Vorgabe, unser Verhalten heute und in der Zukunft immer wieder kritisch zu reflektieren und zu überprüfen. In vielen Diskussionen zur zeitgemäßen Behandlung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung eröffnen sich komplexe Fragestellungen, die eines hohen Maßes an ethischer Reflektion und Überlegung bedürfen.
Die Tatsache, dass wir auch heute noch innerhalb der baulichen Gegebenheiten arbeiten, in denen früher Verbrechen begangen wurden, bedeutet für uns eine hohe Verpflichtung. Aus diesem Grund beschäftigen wir uns fortlaufend mit ethischen Fragen, formulieren Standards, nehmen Kritik und Brüche zwischen Konzept und Alltag wahr und integrieren diese. All das tun wir in enger Abstimmung und in kontinuierlicher Kommunikation mit Erfahrenen- und Angehörigenverbänden.
Unsere Auffassung vom Wert des Lebens kommt darin zum Ausdruck, wie wir heute mit den uns anvertrauten Patientinnen und Patienten umgehen. Wir entwickeln unsere medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Konzepte permanent weiter. Wir befassen uns intensiv mit Themen wie Zwang und Gewalt in der Psychiatrie und versuchen hier neue Konzepte des Handelns und Behandelns zu finden und umzusetzen, denn Leben hat einen nicht verhandelbaren, nicht relativierbaren Wert.
Am kbo-Isar-Amper-Klinikum wurde auf Basis dieser Haltung die Neugestaltung der Erinnerungskultur auf den Weg gebracht. An unterschiedlichen Orten, wie beispielswiese am Mahnmal, im Verwaltungsgebäude, im Psychiatrie-Museum und an weiteren Orten der schrecklichen Vorkommnisse auf dem Klinikgelände soll klar, übersichtlich und eindrücklich die Geschichte des Hauses dargestellt werden. Es soll deutlich werden, welche Verbrechen hier begangen wurden, wer die Opfer waren und wer die Täter. Damit möchten wir deutlich machen, dass das heutige Klinikum in dieser zeitlichen Kontinuität steht, dass es sich dieser Verantwortung stellt und dies als Herausforderung und Ansporn sieht, ihr heutiges Handeln ganz besonders zu hinterfragen.
Jährlich, am 18. Januar, findet am kbo-Isar-Amper-Klinikum eine Gedenkveranstaltung an die Opfer der grausamen Verbrechen statt. Der 18.01.1940 war der Tag, an dem die ersten 25 Männer aus der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar in die Tötungsanstalt Grafeneck deportiert und dort ermordet wurden. Dabei handelte es sich um den ersten Transport von Patientinnen und Patienten der Psychiatrie im damaligen Reichsgebiet. Insgesamt wurden durch die Euthanasie mehr als 250.000 psychiatrische Patientinnen und Patienten ermordet. Allein in Haar starben mehr als 4.000 Menschen, darunter 332 Kinder.