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Therapie durch die Blume – Gartentherapeutinnen erzählen

Zusammenfassung: Pflanzengrün mindert Stress und trägt nachweislich zum Wohlbefinden bei. Die Gartentherapeutinnen Barbara Goller und Sandra Felber unterstützen mit ihrer beruflichen Tätigkeit bei kbo nicht nur die Gesundheit der Patientinnen und Patienten, sondern fördern gleichzeitig auch die eigene innere Balance.

Von Nina Schinharl am

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Leicht samtig fühlt sich das Rosenblütenblatt zwischen den Fingern an. Statisch aufgeladen bleibt der hauchdünne, blassrosa Film an der Fingerkuppe haften, während er einen zart-süßlichen Duft verströmt. Diese und andere sommerliche Sinneseindrücke dürfen Patienten und Patientinnen erleben, wenn sie in einer kbo-Klinik an der Gartentherapie teilnehmen.

Doch auch die anderen drei Jahreszeiten halten genügend Aufgaben im Freien bereit: „Wir säen Pflanzen aus, pflegen und kümmern uns um diese. Wir gestalten gemeinsam Blumenbeete und beobachten deren Entwicklung“, erläutert Gartentherapeutin Barbara Goller und erklärt, warum es so wichtig ist, dabei alle Sinne miteinzubeziehen: „Es wird versucht, die Fürsorge und Pflege der Pflanzen in den Alltag der Patienten zu übertragen. Zusätzlich hilft ihnen die Arbeit mit allen Sinnen, bewusst zu spüren und zu fühlen.“ Ganz gezielt werde dabei der Fokus auf einzelne Pflanzen, beispielsweise eine Rose, gerichtet. „Dabei versuchen wir intensiv und detailliert den fruchtigen, blumigen Duft wahrzunehmen und die samtigen Blütenblätter zu fühlen“, veranschaulicht die Mitarbeiterin der Psychiatrischen Institutsambulanz Murnau, die zu den kbo-Lech-Mangfall-Kliniken gehört.

Mehr Struktur durch Gartentherapie

Dass die Gartentherapie für Patienten eine positive Wirkung hat, erfährt Barbara Goller unter anderem aus einem weiteren Baustein der Therapie, dem Befindlichkeitsaustausch. „Dabei kommt häufig zum Ausdruck, dass die Patienten sich nach der Therapie entspannter fühlen oder eben weniger im Gedankenkarussell gefangen sind“, weiß sie zu berichten. Auch langfristige Effekte ließen sich bei den Teilnehmern, die sie einzeln oder in Gruppen betreut, beobachten. „Im Laufe der Therapie macht sich bemerkbar, dass die Patienten ihre Empfindungen deutlicher und genauer erspüren und diese auch zum Ausdruck bringen können“, so die Therapeutin mit dem grünen Daumen.

Die unterstützende Wirkung der Gartentherapie auf Patienten kennt auch Sandra Felber, Gartentherapeutin in der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen. „Durch regelmäßige Teilnahme verbessert sich die Tagesstruktur, Ressourcen werden aktiviert und Wissen angeregt. Der Bezug zum eigenen Tun und die sichtbaren Erfolge und Erlebnisse im Garten nehmen positiven Einfluss auf Wohlbefinden und Selbstwert“, bestätigt sie.

Mensch und Pflanze – seit jeher eng verwachsen

Die menschliche Wertschätzung für Pflanzen ist bereits aus antiken Quellen überliefert. Im alten Ägypten verordneten die Ärzte der Pharaonen ausgedehnte Spaziergänge im Garten für Patienten mit der Diagnose „geistige Umnachtung“. Tausende Jahre später, im 18. Jahrhundert, verankerten die ersten „Anstaltsleiter“ in Europa die Gartenarbeit im Kanon der Behandlungsmethoden bei psychischen Krankheiten.

Das Nationalsozialistische Regime setzte diesen und anderen Reformansätzen in der psychiatrischen Versorgung ein jähes Ende und auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb der Garten als therapeutisches Hilfsmittel lange Zeit unbeachtet. Erst in den 1970er-Jahren blühte die Bedeutung des Gartens für das Gesundheitswesen erneut auf. Heute widmen sich unterschiedliche Berufszweige den gesundheitsfördernden Eigenschaften des Gartens und Gärtnerns.

Gartenarbeit verbindet Beruf mit Privatleben

Barbara Goller hat anfänglich eine Ausbildung zur Landschaftsarchitektin und Staudengärtnerin gemacht und auch mehrere Jahre in diesen Bereichen gearbeitet. „Aus der Selbsterfahrung heraus habe ich immer wieder gespürt, wie gut mir Gartenarbeitet tut. Dann bin ich zufällig vor Jahren auf die Ausbildung zur Gartentherapeutin gestoßen“, erzählt sie und ergänzt: „Ich war ganz begeistert, dass es eine Therapie gibt, die das Medium Garten miteinbezieht. Die positive Wirkung von Gartenarbeit habe ich bei mir selbst ja bereits feststellen können.“ Nicht nur beruflich, auch im Privatleben nimmt der Garten eine besondere Rolle für sie ein: „Wenn ich mich gestresst fühle, gehe ich in den Garten, bin mit Pflanzen und Erde und fühle mich ruhiger“, schildert Goller.

Auch Sandra Felber kann sich ein Leben ohne „Garteln“ gar nicht vorstellen, wie sie selbst sagt: „Es erfüllt mich mit großer Zufriedenheit, Gemüse und Kräuter wachsen zu sehen und ich schätze den Genuss auf dem Tisch.“ Bevor sie Gartentherapeutin wurde, arbeitete Felber bereits 20 Jahre lang als Ergotherapeutin im somatischen Bereich und sammelte in diesem Zusammenhang bereits erste Eindrücke in Bezug auf die Arbeit im Freien: „Da konnte ich spüren und erleben, wie groß die Motivation der Patienten ist, aus dem weißen sterilen Klinikrahmen herauszukommen und mit dem Medium Garten an ihren funktionellen Zielen zu arbeiten“, erinnert sie sich. 2022 schloss sie dann die einjährige Zusatzausbildung zur zertifizierten Gartentherapeutin berufsbegleitend am Institut für Naturheilkunde in Erfurt ab. Über ein Praktikum gelangte sie im Anschluss daran zur kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen, wo sie seitdem als Gartentherapeutin in verschiedenen Bereichen tätig ist.

Grüne Oasen für Patienten und Mitarbeitende

„Ich bin als Gartentherapeutin Teil eines interdisziplinären Teams und arbeite in vielen Bereichen. Ein zielorientierter Austausch zu den Patienten ist die Grundlage für meine Arbeit“, führt Sandra Felber aus. Gemeinsam mit Patienten pflegt sie das gesamte Areal der kbo-Lech-Mangfall-Klinik und in Teilen das des somatischen Klinikums nebenan. „Unser Bereich umfasst einen wunderbaren Patientengarten, der mit vielen Stauden, Blumen, Büschen und Bäumen einen wunderbaren Platz für Ruhe, aber auch zum Auftanken bietet“, schwärmt sie. Verschiedene Oasen mit Kräutern, Naschgärten und Hochbeeten stehen Genesenden sowie Angestellten gleichermaßen zur Verfügung. Im angrenzenden Wald- und Wiesengelände bestehe zudem die Möglichkeit, die Natur in der Gruppe mit allen Sinnen aufmerksam zu erkunden und wahrzunehmen.

Die gemeinsamen Entdeckungen in der Gruppe machen Sandra Felber besonders viel Spaß: „Eine Blüte mit der Lupe entdecken. Das erste Radieschen gemeinsam ernten und naschen. Die Zufriedenheit in den Gesichtern, auch bei Regenwetter und mit erdigen Händen etwas bewirkt zu haben“, zählt sie auf. Auch Barbara Goller scheint mit ihrer Berufswahl ins Schwarze getroffen zu haben. „Gartentherapie hat viel mit Achtsamkeit zu tun und Haltung – bewusst, gegenwärtig, offen, akzeptierend. Jeder Moment ist auf seine Weise besonders“, resümiert sie.