Zum Seitenanfang
selbstständige Lebensführung für psychisch erkrankte Menschen

Selbstversorgung bedeutet Lebensqualität – Unterstützung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung beim (Wieder-)Erlernen einer eigenständigen Lebensführung

Zusammenfassung: Die Lehrküche am kbo-Isar-Amper-Klinikum in Haar ist ein Ort, an dem Menschen mit psychischer Erkrankung durch sogenannte „EAT-Kurse“ die Möglichkeit haben, eine selbstständige Lebensführung aufzubauen und/oder zu erhalten. Gabriele Bleier, seit über 30 Jahren „die Seele“ der Lehrküche, wie man sie heute kennt, hat diese mitaufgebaut und ihr Leben und Atmosphäre eingehaucht. Die Hauswirtschaftsleiterin hilft Patientinnen und Patienten mit viel Leidenschaft unter anderem dabei, ihre Genuss- und Sinnesfreuden (wieder) zu entdecken. Wie sie das macht und was für sie bei ihrer Arbeit im Vordergrund steht, erzählt sie in diesem Interview.

Von Kathrin Bethke am

Themen:

Gabriele, welche Ausbildungen hast Du absolviert, um als pädagogische und therapeutische Haushaltstrainerin zu arbeiten?

Gabriele Bleier – G. B.: Ich habe im Rahmen meiner Ausbildung die Ausbildereignung erworben, die mich dazu befähigt, hier in der Lehrküche als Hauswirtschaftsleiterin tätig zu sein. Im Zuge einer arbeitstherapeutischen Zusatzausbildung ließ ich mich zudem noch in Psychopathologie und Medikamentenkunde ausbilden und kann somit auch therapeutisch arbeiten.

 

Worum genau geht es in Deinem Beruf?

G. B.: Wir arbeiten hier mit psychisch erkrankten Menschen, die verschiedenste Krankheitsbilder aufweisen. Mit unseren Kursen möchten wir den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wieder eine eigenständige Lebensführung beibringen und ihnen auch Genuss- und Sinnesfreude näherbringen.

Das, was wir hier tun, hieß früher „pädagogisch-therapeutisches Haushaltstraining“. Heute trägt es den Namen „EAT“, was für „Ernährung – angewandte Therapie“ steht. Dabei handelt es sich um eine alltagsbezogene Maßnahme mit dem Ziel, die Anlagen und Begabungen der individuellen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer herauszuarbeiten, sie zu fördern und zu stabilisieren, um deren größtmögliche Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit zu erreichen.

 

Was möchtest Du den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Deinen Kursen vermitteln?

G. B.: Mir ist es wichtig, den Patientinnen und Patienten einen achtsamen Umgang mit Lebensmitteln beizubringen. Es gibt sehr viel Historie, sehr viel Geschichte zu den einzelnen Lebensmitteln und dieses Wissen möchte ich ihnen gerne mit viel Herzblut vermitteln.

Leider musste ich im Laufe meiner Jahre hier feststellen, dass immer weniger Menschen kochen können, bzw. eben nicht mehr mit Grundnahrungsmitteln umgehen können oder nicht einmal wissen, was Grundnahrungsmittel überhaupt sind. In meinen Kursen zeige ich den Patienten, was eine gesunde Lebensweise bedeutet, welche Grundnahrungsmittel wann saisonal angeboten werden und wie man diese verarbeitet.

Tatsächlich bin ich oft ziemlich sauer auf die Lebensmittelindustrie, die uns eigentlich ziemlich viel Ungesundes anbietet. Es ist einfach so: Je weniger Zusätze in Lebensmitteln enthalten sind, desto gesünder sind diese auch. Und genau dafür versuche ich meinen Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern die Augen zu öffnen.

Dazu kommt, dass natürliche, saisonal eingekaufte Lebensmittel meist auch preiswerter sind. Für Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, – und das ist bei unseren psychisch erkrankten Patienten leider hin und wieder der Fall – stellen diese zusatzarmen Nahrungsmittel eine Möglichkeit dar, sich auch mit einem kleinen Budget wirklich gesund zu ernähren und sich gut mit allen Vitalstoffen auszustatten.

Selbstversorgung bedeutet ja gleichzeitig auch Lebensqualität. In den Kursen lernen die Patienten, die kleinen Herausforderungen des Alltags zu bewältigen. Immer wieder machen wir die positive Erfahrung, dass sich die Lebensqualität unserer Patienten mit der Versorgung ihrer eigenen elementaren Bedürfnisse spürbar erhöht.

 

Wie sind Deine Kurse strukturiert?

G. B.: Ich arbeite mit festen Gruppen, die Patienten kommen regelmäßig und wir setzen uns dann erstmal hin und machen eine kleine Befindlichkeitsrunde, um zu erfahren, wie es den Teilnehmern gerade geht und was sie beschäftigt.

Dann wird über das Gericht für den gegenwärtigen Tag gesprochen. Es folgt eine kleine Warenkunde, ein bisschen Ernährungslehre zu den einzelnen Lebensmitteln und dann wird gemeinsam gekocht, gemeinsam gegessen, gemeinsam aufgeräumt. Dabei vergeht die Zeit wirklich wie im Nu!

Dadurch, dass die Lehrküche hier in der Psychiatrie schon sehr, sehr lange installiert ist, verfügen wir natürlich über einen großen Wissensschatz und unzählige Rezepte. Und für jedes Lebensmittel gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, wie diese eingesetzt werden können. Im Laufe der Jahre haben wir so viele Rezepte gesammelt, dass wir sogar ein eigenes kleines Kochbuch daraus gemacht haben, worauf ich sehr stolz bin.

 

Gibt es Schnittstellen zu anderen Kolleginnen und Kollegen des Klinikums?

G. B.: Ich bin hier natürlich nicht ganz alleine, sondern habe auch Kollegen und Kolleginnen, mit denen ich sehr gut in Kontakt stehe. Wir treffen uns regelmäßig und tauschen uns einmal monatlich in Fachtherapeuten-Treffen aus.

Und auch wenn man mal Sorgen oder Nöte hat, kann man sich jederzeit an bestimmte Teams oder die Vorgesetzten wenden.

 

Was schätzt Du an Deiner Arbeit besonders?

G. B.: Ich liebe meine Arbeit sehr, weil sie wirklich vielfältig ist. Und ich liebe auch Menschen, was auch notwendig und ganz wichtig ist, wenn man mit psychisch erkrankten Menschen arbeitet. Es ist vielseitig, es ist spannend, es ist interessant und ich habe hier auch die Möglichkeit, mich selbst zu verwirklichen.

Meine Tätigkeit hier hält mich außerdem fit, weil ich immer in Bewegung bin – physisch, psychisch und auch mental. Es gibt immer wieder Neuerungen in der Ernährungslehre und auch da muss man sich ständig auf dem aktuellsten Stand halten.

Wenn man Spaß am Menschen hat und daran, mit psychisch Erkrankten zu arbeiten und wenn einem die Verarbeitung von Lebensmitteln Freude macht und man das weitervermitteln möchte, ist man hier goldrichtig.

 

Und was findest Du an kbo als Arbeitgeber gut?

G. B.: Allein an der Tatsache, dass ich jetzt schon über 30 Jahre hier arbeite, sieht man, dass ich sehr zufrieden mit meinem Arbeitgeber und meinem Arbeitsumfeld bin. Ich habe einen sicheren Arbeitsplatz und der Arbeitgeber kümmert sich auch um einen.

Hier kann man sehr flexibel arbeiten und so sein Privat-, Familien- und Arbeitsleben gut miteinander in Verbindung bringen. Eine meiner Arbeitskolleginnen ist zum Beispiel gerade in Elternzeit und kann jetzt auf eigenen Wunsch stundenweise auch schon wieder arbeiten. Solche Möglichkeiten gibt es hier und das kann einem das Leben erleichtern.

 

Was bedeutet der Standort Deines Arbeitsplatzes für Dich?

G. B.: Ich komme gebürtig aus Bayern, ursprünglich aus dem Alpenvorland, und würde hier auch nie wegwollen. Mittlerweile hat sich hinsichtlich der Infrastruktur in Haar viel getan und für mich ist es einfach ein Arbeitsplatz und auch ein Lebensplatz, wo man sich sehr wohl und auch zu Hause fühlen kann.

 

Was würdest Du jungen Menschen raten, die gerade am Anfang ihres Arbeitslebens stehen?

G. B.: Es ist so wichtig, dass einem die Arbeit Spaß macht. Deswegen sage ich es auch immer wieder zu jedem jungen Menschen: Suchen Sie sich eine Arbeit, die Ihnen Kraft gibt und keine Kraft nimmt.