Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse fließen direkt in den Klinikalltag ein
Zusammenfassung: Im kbo-Kinderzentrum München arbeiten Fachleute mit kinder- und jugendärztlichem, psychologischem, therapeutischem, sozialpädagogischem und heilpädagogischem Fachwissen zusammen. Ihr Engagement fließt unter anderem in die Entwicklung individueller Diagnostik- und Therapiekonzepte auf der Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse.
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Eine Besonderheit des kbo-Kinderzentrums ist die Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Sozialpädiatrie der Technischen Universität München. Durch die enge Verbindung zur Klinik werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse zügig und praktikabel im klinischen Alltag umgesetzt. Das Team des Lehrstuhls für Sozialpädiatrie besteht aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Pädagogik, Sport- und Gesundheitswissenschaften und verschiedenen Therapieberufen und ist damit multidisziplinär aufgestellt.
Dr. Nikolai Jung arbeitet seit Anfang 2012 am Lehrstuhl für Sozialpädiatrie und ist seit Anfang 2015 am kbo-Kinderzentrum München in der Klinik tätig. Im Interview verrät der Kinderarzt, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Klinik und Lehrstuhl gestaltet, was er besonders am kbo-Kinderzentrum schätzt und welche Karrieremöglichkeiten es für Ärztinnen und Ärzte gibt.
Herr Dr. Jung, in welchem Bereich arbeiten Sie im kbo-Kinderzentrum und wie gestaltet sich Ihre Tätigkeit am Lehrstuhl?
Dr. Nikolai Jung – N. J.: Im Moment teilen Frau Kanz und ich uns auf der Eltern-Kind-Station die oberärztliche Leitung. Die Tätigkeit am Lehrstuhl ist eine wissenschaftliche Tätigkeit. Momentan leite ich dort eine kleine Arbeitsgruppe, die sich mit verschiedenen Aspekten von Entwicklungsstörungen beschäftigt, insbesondere mit neuronalen Lernmechanismen bei Entwicklungsstörungen. Wir erforschen also, wie das Lernen auf Nervenzellebene funktioniert. Hierfür haben wir ein Instrument, mit dem wir dies nicht-invasiv zum Beispiel bei Kindern untersuchen können.
Zudem führen wir gerade eine Studie am Lehrstuhl durch, in der wir den Einfluss einer medikamentösen Therapie auf Lernmechanismen und die Aufmerksamkeit bei genetischen Syndromen, den sogenannten RASopathien, untersuchen.
Ein weiterer großer Teil unserer Arbeit sind klinische Studien bei Kindern mit frühkindlichen Hirnschädigungen (Cerebralparese). Hier haben wir untersucht, ob und inwiefern die Lebensqualität dieser Kinder beeinträchtigt ist. Zusammen mit vielen Fachgesellschaften erarbeiten Herr Prof. Mall als Projektleiter und ich aktuell eine Leitlinie für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einer unilateralen spastischen Zerebralparese (einseitige spastische Bewegungsstörungen) hinsichtlich der Evidenz der therapeutischen Interventionen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen dem kbo-Kinderzentrum und dem Lehrstuhl und was ist das Besondere daran?
N. J.: Da Herr Prof. Mall Ärztlicher Direktor und Lehrstuhlinhaber ist und viele Kolleginnen und Kollegen, so wie ich, in beiden Institutionen tätig sind, ist bereits rein organisatorisch eine enge Zusammenarbeit und ein reger Austausch möglich, was ich als sehr fördernd und angenehm empfinde. Zudem werden am Lehrstuhl viele Studien und Projekte betreut, die sich beispielsweise mit Störungen der Sensomotorik, Regulationsstörungen oder den angesprochenen genetischen Syndromen beschäftigen. Das Besondere hierbei ist, dass wir die wissenschaftlichen und klinischen Fragestellungen und die Erkenntnisse daraus dann auch direkt in die Patientenversorgung und Therapie am kbo-Kinderzentrum mit einfließen lassen können.
Können Sie uns ein Bespiel dazu nennen, wie die Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im klinischen Alltag erfolgt?
N. J.: Ein Beispiel ist die Leitlinie zur Behandlung von Kindern mit einer Unilateralen Zerebralparese. Wir arbeiten die neusten internationalen wissenschaftlichen Studien systematisch auf, fassen sie in einer AWMF*-Leitlinie zusammen und können diese Erkenntnisse und Empfehlungen dadurch, dass wir viele Patientinnen und Patienten mit genau diesem Krankheitsbild bei uns auf der Station und in der Sensomotorik-Ambulanz betreuen, direkt in die Behandlung und in die Therapieplanung mit einfließen lassen.
*Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.
Was schätzen Sie besonders an Ihrer Arbeit bei uns am kbo-Kinderzentrum?
N. J.: An meiner Arbeit am kbo-Kinderzentrum schätze ich die vielen Möglichkeiten, sich weiterentwickeln zu können. Ich habe als Assistenzarzt im kbo-Kinderzentrum angefangen und dann hier die Facharztweiterbildung gemacht.
Und auch heute noch erfahre ich für die Vorhaben aus allen Bereichen immer eine große und sehr konstruktive Unterstützung. Für Ärztinnen und Ärzte, aber auch für andere Berufsgruppen gibt es prinzipiell die Möglichkeit, sich in Projekten des Lehrstuhls zu engagieren und so dann auch beispielsweise in Form einer Dissertation oder Habilitation den nächsten Karriereschritt zu gehen.
Was für mich die Arbeit zudem einzigartig und faszinierend macht, ist die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichen Bereichen, wie der Psychologie und den Therapieabteilungen. Von diesem Austausch profitiere ich enorm für meine Arbeit. Diese Art der Zusammenarbeit ist aus meiner Sicht ein wesentliches Merkmal des kbo-Kinderzentrums.
Gibt es einen Moment im kbo-Kinderzentrum, an den Sie sich besonders gerne erinnern oder der für Sie sehr prägend war?
N. J.: Sehr prägend war für mich in der Tat der Beginn am kbo-Kinderzentrum, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern – und das war ja nicht erst gestern. Zu dem Zeitpunkt war ich ärztlich tätig, habe dann jedoch im wissenschaftlichen Bereich am Lehrstuhl angefangen. Von den Therapeutinnen und Therapeuten über die Psychologinnen und Psychologen bis hin zu den Ärztinnen und Ärzten wurde ich sehr herzlich aufgenommen und sehr gut und schnell integriert.
Im nächsten Jahr geht ja der Neu- und Erweiterungsbau des kbo-Kinderzentrums in Betrieb. Auf was freuen Sie sich hier am meisten?
N. J.: Ich freue mich sehr auf den ganzen Neubau und bin gespannt auf die neuen Räume. Ich finde es toll, dass ich die Chance habe, mich bei der organisatorischen und inhaltlichen Gestaltung der Stationen miteinbringen zu dürfen und dass unsere Meinung hierbei Gehör findet.
Vielen Dank für Ihre Zeit und den spannenden Einblick in Ihre Arbeit!