„Ich bin sehr stolz, denn ich bin die erste Frau im Amt“
Zusammenfassung: Vor 39 Jahren hat Brigitta Wermuth mit ihrer Ausbildung zur Krankenpflegerin am kbo-Isar-Amper-Klinikum begonnen. Jetzt ist sie dort Pflegedirektorin. Im Interview blickt sie zurück und nach vorn: auf Ziele und Visionen, die sie für die Pflege am Klinikum hat.
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Brigitta Wermuth blickt auf einen langen Weg und eine lange Karriere im kbo-Isar-Amper-Klinikum zurück. „Gitti“, wie sie fast jeder im Klinikum nennt, ist seit dem 01. November 2021 Pflegedirektorin des kbo-Klinikums, nachdem sie bereits seit September 2020 und dem damaligen Renteneintritt von Pflegedirektor Hermann Schmid als ständige stellvertretende Pflegedirektorin wirkte.
Fast jeder kennt Gitti (und umgekehrt). Im Interview blickt Henner Lüttecke zurück und nach vorne. Denn die Pflege hat sich viel vorgenommen.
Herzlichen Glückwunsch zur Bestätigung durch den kbo-Verwaltungsrat und zur Berufung als Pflegedirektorin. Bist Du erleichtert?
Brigitta Wermuth (BW): Ja, es war ein langer und sehr intensiver Weg und die Bewerbungsgespräche und -runden waren wirklich eine Herausforderung. Aber ich bin umso zufriedener, dass ich das Vertrauen für dieses Amt geschenkt bekommen habe. Und ich bin außerdem sehr stolz, denn ich bin die erste Frau im Amt nach drei Pflegedirektoren, die die Pflege an unserem Krankenhaus anführen darf. Das erlebe ich als ein wichtiges Zeichen sowohl nach innen wie auch nach außen.
Du blickst auf eine lange Karriere im Haus zurück, Deine ganze berufliche Karriere hast Du hier verbracht. Hast Du nie Lust gehabt, zu wechseln?
BW: Ich habe schon so dann und wann geliebäugelt und auch das eine oder andere Angebot geprüft, aber die Erwachsenen-Psychiatrie war und ist meine Leidenschaft, ich wollte nie in einem somatischen Krankenhaus arbeiten. Das war mit ein Grund, warum ich nach meiner Ausbildung zur Krankenschwester in Haar geblieben bin. Unser Haus bietet eine unglaubliche Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten, aber auch pflegetherapeutische Konzepte mit zu begleiten, zu entwickeln und umzusetzen, war mir immer sehr wichtig. Ich habe bewusst in vielen verschiedenen Bereichen des Klinikums gearbeitet, unter anderem als Pflegedienstleitunng für die Neurologie, die damalige Klinik Nord, die zentrale Patientenanmeldung und zuletzt als Pflegedienstleitung des Zentrums für Altersmedizin und der Klinik für Psychosomatik. In allen Bereichen konnte ich viele wertvolle Erfahrungen sammeln, die mir jetzt in meiner neuen Funktion sicher sehr helfen werden. Immer wieder neue Herausforderungen anzunehmen, mich mit neuen Kollegeninnen und Kollegen vertraut zu machen, all das hat mich im Lauf der letzten Jahrzehnte bis heute gereizt und nicht nur beruflich, sondern auch persönlich weitergebracht. Ich möchte keinen einzigen Einsatz vermissen. Und es ist für mich kaum zu glauben, in einem Jahr beschließe ich dann mein viertes Dienstjahrzehnt.
Was siehst Du als deine kommenden Aufgaben an?
BW: Wir müssen an verschiedenen Stellschrauben arbeiten, auch wenn wir insgesamt als Pflege und als Klinikum gut aufgestellt sind. Mitarbeitergewinnung und vor allem die Mitarbeiterbindung sind wesentliche Aufgaben, denen ich mich noch intensiver widmen möchte. Wir wissen alle, dass es zu wenige Pflegekräfte in Deutschland gibt. Umso wichtiger ist es mir, auf die „Basis“, die Kolleginnen und Kollegen auf den Stationen zu hören und zu wissen, was sie bewegt und woran es im Alltag hapert. Hier durfte ich in diesem Jahr in die meisten Kliniken bei den Stationsleitungsbesprechungen mit „reinschnuppern“ und konnte sehr wertvolle Ergebnisse mit zurück an den „grünen Tisch“ nehmen. Das ist wichtig für uns und durchs Zuhören und Überarbeiten dieser Themen können wir es schaffen, dass die Kolleginnen und Kollegen gern bei uns bleiben. Viele Best-Practice-Beispiele können wir so auch für die Klinik nebenan zur Verfügung stellen und so bei allen die Versorgung verbessern. Wir haben in unserem Haus sehr kluge Köpfe, die sich viele Gedanken gemacht haben und in der Alltagsrealität leider oft untergehen.
Und natürlich müssen wir weiterhin als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Dabei spielen unsere kbo-Berufsfachschulen eine bedeutende Rolle. Hier lernen junge Menschen einen der interessantesten, professionellsten und gleichzeitig abwechslungsreichsten Berufe überhaupt kennen. Wir werden weiterhin seriöse und menschenwürdige Projekte, zum Beispiel „triple win“, durchdenken und gegebenenfalls integrieren, um Pflegekräfte zum Beispiel von den Philippinen zu uns zu holen. Mir ist aber auch wichtig, dass wir diese neuen Kolleginnen und Kollegen hier willkommen heißen und alles tun, damit die Integration nicht nur im Klinikum, sondern über die Schicht hinaus gelingt. Das ist unsere Verantwortung, der wir unbedingt nachkommen müssen und auch wollen.
Stichwort Professionalisierung der Pflege: Die Akademisierung der Pflege war auch ein wichtiges Thema von Hermann Schmid.
BW: Die Akademisierung der Pflege ist ein wichtiger und notwendiger Schritt, den wir bereits solide und mit Bedacht im kbo-Klinikum umsetzen. Die verschiedenen Kooperationen mit Hochschulen sind hier ein wichtiger Schritt. Gerade haben wir mit der Hochschule Döpfer einen weiteren Partner gefunden, der einigen Kollegen die psychiatrische Pflege noch näherbringen wird. Das gefällt mir und unterstützt unser Ziel, akademische Pflegekräfte auf allen Stationen in der Praxis einzusetzen. Unser Wunsch und Ziel ist es, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse unserer studierten Kolleginnen und Kollegen auf den Stationen umgesetzt werden. Dafür brauchen wir die akademischen Pflegekräfte auch genau dort: „am Bett“, am Patienten.
Aber an dieser Stelle muss auch unbedingt erwähnt werden, dass wir alle Qualifikationen im Pflegebereich sehen und auch brauchen. Die psychiatrische Fachpflege ist eine starke und sehr erfahrene Komponente in der Patientenversorgung, die aus meiner Sicht auch in Zukunft eine sehr wichtige Rolle spielen wird. Die Verbindung zwischen akademischer Pflege und Fachpflege kann und wird die Versorgungsqualität mit Sicherheit stärken und noch nachhaltiger machen. Die Kolleginnen und Kollegen mit der dreijährigen Ausbildung, aber auch die Pflegefachhelferinnen und Pflegefachhelfer sind für mich alle wichtige Bestandteile eines Pflegeteams und nicht wegzudenken, aber wir müssen jetzt auch Strukturen schaffen, die die Kernaufgaben für jede Qualifikation gut hinterlegen und so gezielte Aufgabenbereiche formulieren. Ein gut durchdachter und vor allem geplanter Qualifikationsmix, verbunden mit gesteuerter Personalentwicklung und Spezialisierung, wird eine wesentliche Aufgabe von mir und meinem Team sein. Gerade in unserer letzten PDL-Klausur haben wir uns als Ziel für 2022 gesetzt, dass Personalentwicklung aus unseren Visionen und strategischen Notwendigkeiten mit Inhalten gefüllt wird. Darauf freue ich mich und hoffe so auch die unterschiedlichen Kernbereiche der Psychiatrie unseres Hauses besser und der Situation angemessen zu bedienen. Dafür müssen auch wir, als PD und PDL-Team, entwickeln und nachsteuern.
Es ist die Weihnachtszeit, in der man sich etwas wünschen darf. Welche Wünsche hättest Du?
BW: Ich bin ein ziemlich erdiger, humorvoller Mensch, der das Leben meist nimmt, wie es kommt und habe wenig Wünsche, dafür aber viele Visionen, Ideen und Ziele. Einige, besser viele davon würde ich gern in die Wirklichkeit umsetzen und entwickeln, aber auch optimieren oder korrigieren, wenn meine „Visionen“ zu wenig real waren. Und an der Stelle kommt natürlich „mein Team“ ins Spiel. Die Zusammenarbeit und das „Neue-Strukturen-Entwickeln“ mit den Pflegedienstleitungen, den Pflegeentwicklern oder auch mit der zentralen Praxisanleitung macht meist richtig Spaß und bedeutet intensiven Dialog, Austausch und Konsensfindung. Aber auch Reibungen und Kritik gehören für mich zu derartigen Veränderungsprozessen dazu und dem gehe ich, auch wenn es um mich oder meine Haltung geht, nicht aus dem Weg. Ich habe gerade in den letzten Jahren viel durch Austausch und andere Sichtweisen dazu gelernt und neu entdecken dürfen, das finde ich sehr wertvoll und für meinen Arbeitsalltag enorm wichtig. Ob und wie was geht oder nicht … muss man ausprobieren und den Plan gegebenenfalls anpassen, aber es gar nicht erst zu versuchen, das kommt für mich nicht in Frage.
Was ich ändern würde, wenn ich den imaginären Zauberstab in Händen halten könnte? Ich würde den wirtschaftlichen Druck für Krankenhäuser deutlich reduzieren, Multiprofessionalität als Selbstverständlichkeit installieren, das Verhältnis von Pflege und Patientinnen und Patienten auf den Einheiten anpassen, so dass gerade hier wieder mehr gelebtes „gutes Gefühl“ in den Arbeitstag Einzug halten könnte, vielen Pflegenden mehr Selbstverständnis zu ihrer Profession zaubern und nicht zuletzt den Patienten die Zeit zukommen lassen, die wir mit Dokumentation verbringen. Damit wäre für mich Wesentliches geschaffen und getan. Ich finde, dafür dass ich kaum Wünsche habe, sind es jetzt doch ganz schön viele geworden.
Gibt es sonst noch Wichtiges zu sagen, was Dir am Herzen liegt?
BW: Ich möchte mich am Ende des Interviews noch gerne bedanken. Bei vielen „Zeitzeugen“ durch meine Jahre am kbo-Isar-Amper-Klinikum, mit denen Austausch und Entwicklung möglich wurde und die mich meist auch in meiner Tätigkeit und Haltung mitgeformt und unterstützt haben. Das gilt allen Berufsgruppen, die wir am Haus finden. Ich war schon immer ein großer Fan von Team und MPT, egal in welcher Position ich tätig war und durfte sehr viel davon profitieren und lernen. Bei Wegbegleitern, die mich unaufgeregt durch alle Bereiche, Funktionen und Themen unterstützt und „mitperformed“ haben, an einigen Tagen, aber auch dabei waren, wenn es nicht ganz so schön war oder halt nicht gelang. Bei meinen zwei Vorgängern in der Pflegedirektion, wovon einer mit großer Herzenswärme geführt hat und der andere große Weitsicht für nötige Entwicklungen hatte. Ich werde mir das auf jeden Fall für meinen Arbeitsalltag gut einprägen und immer wieder meinen Blick darauf werfen. Und nicht zuletzt bei meinem „neuen Team“, der Krankenhausleitung. Ich wurde hier gut integriert, gut aufgenommen und mit großer Fachlichkeit eingearbeitet. Und es macht mir wirklich Spaß, auch ein Teil dieses Teams zu sein.
Am Ende bleibt mir noch zu sagen, dass ich unbedingt noch ein großes Dankeschön an alle Beschäftigten jeglicher Berufssparten unseres Hauses aussprechen möchte. Jeder Einzelne hat in diesem zweiten Coronajahr sein Bestes gegeben und ist über sich hinausgewachsen. Viele von uns sind müde und erschöpft ob unserer veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen und das spürt und sieht man im Austausch. Ich hoffe, wir haben die Pandemie bald im Griff und können wieder mehr für uns tun und uns auf Wesentliches konzentrieren. In diesem Sinne wünsche ich euch Feiertage, die euch gut tun und ein gesundes 2022!
Wir wünschen Gitti Wermuth alles Gute.
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