Pflege- und Erziehungsdirektorin: Ein anspruchsvolles und zugleich schönes Arbeitsfeld
Zusammenfassung: Seit einem Jahr ist Lena Heyelmann als Pflege- und Erziehungsdirektorin am kbo-Heckscher-Klinikum tätig. Im Interview spricht sie über ihr erstes Jahr in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Herausforderungen, Entwicklungen und vieles mehr.
Von
amThemen:
Frau Heyelmann, Sie sind seit 1. Juli 2022 Direktorin für Pflege und Erziehung am kbo-Heckscher-Klinikum. Ihr Vorgänger Hans-Ulrich Neunhoeffer hat Ihnen zum Abschied genügend Zeit und Raum gewünscht, die Klinik und das Fachgebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) gut kennenzulernen. Ist dieser Wunsch in Erfüllung gegangen?
Lena Heyelmann – L. H.: Ich habe vom ersten Tag bis heute viel Geduld bei den Kolleginnen und Kollegen wahrgenommen, wenn sie mir Fragen zur kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung oder zu einzelnen Prozessen in der Klinik beantworten. Das war absolut hilfreich!
Auch jetzt noch nehme ich mir die Zeit, auf einzelnen Stationen und bei den Teams für mehrere Stunden zu hospitieren. Mein Plan, nach einem Jahr auf allen Einheiten mehrere Stunden gewesen zu sein, stellte sich allerdings als unrealistisch heraus. Aber ich bleibe dran. Das ist für mich eine sehr gute Möglichkeit, zu erleben, wie in der KJP gearbeitet wird und ein Gefühl für die einzelnen Teams zu bekommen.
Sie haben vor der „Heckscher“ vier Jahre als Pflegedienstleitung in der Klinik für Suchtmedizin und Psychotherapie im kbo-Isar-Amper-Klinikum gearbeitet und dort auch Ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin absolviert. Was unterscheidet die Erwachsenenpsychiatrie grundsätzlich von der Kinder- und Jugendpsychiatrie? Wo gibt es Schnittstellen?
L. H.: Sie haben recht, ich war bis Juli 2022 in der Erwachsenenpsychiatrie sozialisiert. Mit der Ausbildung im Bezirkskrankenhaus und der Anstellung im damaligen Klinikum Nord-Ochsenzoll in Hamburg habe ich in zwei der größten Psychiatrien Deutschlands gearbeitet. Danach war ich mehrere Jahre überwiegend außerhalb von Krankenhäusern tätig.
Das Ziel, eine professionelle Beziehung zu den Patientinnen und Patienten aufzubauen, ist für die psychiatrische Pflege bei Erwachsenen und den Pflege- und Erziehungsdienst bei Kindern oder Jugendlichen gleichermaßen formuliert. Wo Nähe professionell ist, muss auch Distanz da sein. Ich möchte nicht zu sehr verallgemeinern, aber in meiner Wahrnehmung berühren uns die Erkrankungen und „Päckchen“, mit denen die jungen Patientinnen und Patienten aufgenommen werden, mehr als es bei Erwachsenen der Fall wäre – das erschwert die Distanzierung.
Die Chance, schnell wirklich positive Verläufe zu sehen, ist größer als bei den Erwachsenen. Gleichzeitig ist die Sorge, dass sich einzelne Betroffene irreversibel schaden, umso höher. Die Regulationsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen ist – unabhängig vom Störungsbild – geringer als bei Erwachsenen. Die Behandlung in der KJP muss den psychiatrischen und den pädagogischen Bedarfen, die in den Altersgruppen natürlich sehr variieren, gerecht werden. Das macht viel aus – und es gibt viele Unterschiede.
Große Schnittstellen sehe ich bei den Zielen und notwendigen Veränderungen: Die Psychiatrie allgemein wird ambulanter werden, der Einbezug der Patientinnen und Patienten in die Behandlung und Entscheidungen ist überall zu stärken. Konzepte wie Safewards machen auf einer Kinderstation genauso viel Sinn wie bei den Erwachsenen.
Die Zunahme psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen ist eine große gesellschaftliche Herausforderung, die durch die Pandemie noch verstärkt wurde, die gleichzeitig aber auch mehr in den öffentlichen Fokus gerückt ist. Welche Ansätze verfolgen Sie im Hinblick auf die stete Überbelegung vor allem der Akutstationen im kbo-Heckscher-Klinikum?
L. H.: Ob Patientinnen und Patienten auf einer der geschützten Akutstationen behandelt werden müssen, ist eine ärztliche Entscheidung, die richterlich bestätigt werden muss und wovon abhängig ist, ob eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt. Die Indikation wird von den Aufnahmeärztinnen und -ärzten wirklich schon eng gestellt, weswegen ich an diesem „Eingang“ am wenigsten Regulationsmöglichkeiten sehe.
Die Ärztliche Direktorin, Frau Priv.-Doz. Dr. Bühren, und ich versuchen, die Strukturen und Konzepte außerhalb dieser Stationen so zu verändern, dass die Behandlung auf den geschützten Stationen nur so lange erfolgt, wie es unbedingt notwendig ist.
Um eine bestmögliche und individuell angepasste Weiterbehandlung zu ermöglichen, entwickeln wir stationäre und tagesklinische Therapieangebote weiter und bauen ambulante Behandlungskapazitäten in unseren Psychiatrischen Institutsambulanzen aus. Ziel ist es, auch dort multiprofessionell stationsersetzend oder poststationär zu behandeln. Heute gehe ich davon aus, dass wir auch künftig mit starken Schwankungen bei der Belegung der Akutstationen rechnen müssen – permanent übervoll sind sie zum Glück in den vergangenen Monaten schon nicht mehr gewesen.
Sie sind seit 2014 Lehrbeauftragte an der Katholischen Stiftungshochschule (KSH) München, haben dort auch Ihr Masterstudium „Management von Sozial- und Gesundheitsberufen“ abgeschlossen. Sehen Sie in der Akademisierung der Pflege einen Ausweg aus der Krise?
L. H.: Immer, wenn es komplex wird, braucht es multidimensionale Lösungen: multiprofessionelle Behandlungen, multimodale Therapien … Der Mangel an Pflegefachpersonal ist auch ein komplexes Phänomen, das wir nicht über einen Weg werden lösen können. Die Akademisierung wird nicht „der Ausweg“ sein, aber ein Teil davon. Ich bin überzeugt, dass die akademische Qualifizierung von Pflegenden einen positiven Beitrag für die Versorgungsqualität und -weiterentwicklung leisten wird. Gerade weil wir diesen Mangel an Fachpersonen haben, muss die Gruppe so gut wie möglich qualifiziert sein – nicht alle mit Hochschulabschluss, aber ein Teil von ihnen.
Ich lehre derzeit nur noch im 8. Semester Pflege dual. Das Studiengangsmodell wurde abgelöst, weswegen ich den Auftrag dieses Semester zum letzten Mal wahrnehme. Weitere Lehrverpflichtungen werde ich vorerst nicht annehmen, das schaffe ich zeitlich nicht. Der KSH bin ich weiterhin sehr verbunden, stehe immer mal für Gastvorträge zur Verfügung und habe im ersten Durchgang des Mentoringprogramms „Frauen in Führungspositionen“ über knapp zwei Jahre drei Mentees betreut. Auch das kann ich mir vorstellen, wieder mal zu machen.
Was geben Sie Ihren weiblichen Mentees mit auf den Weg?
L. H.: Dass nicht alles gradlinig laufen muss, sondern jede Erfahrung, auch die aus Randbereichen, wertvoll ist. Zum Beispiel habe ich 2005 einen Minijob als Krankenschwester in der Psychiatrie gesucht, aber für den kleinen Umfang war der Bedarf in den Kliniken nicht hoch genug.
Alternativ arbeitete ich dann im Marketing einer großen Anwaltskanzlei. Ich habe unheimlich viel gelernt im Bereich Dienstleistungsmarketing, war das erste Mal auf Jobmessen usw. – der Job brachte mir also nicht nur etwas Geld, sondern auch sehr wertvolle und gut nutzbare Erfahrungen.
Ich gebe ihnen mit, dass sie die Augen bei der Partnerwahl offen halten sollen – ich wollte Kinder haben UND mich beruflich weiterentwickeln. Dass beides so gut zusammen klappt, geht nur, weil mein Mann diesen Weg unterstützt. Und ich gebe den Mentees mit, dass sie den Mut haben sollen, Chancen zu nutzen.
Vielen Dank, Frau Heyelmann, und weiterhin alles Gute!