Beschäftigung und Tagesstruktur – ein Angebot des kbo-SPZ für Menschen mit psychischer Erkrankung
Zusammenfassung: Soziale Kontakte zu pflegen, einer sinnstiftenden Beschäftigung nachzugehen, gemeinsam mit anderen etwas zu schaffen oder einfach mal zusammen Spaß zu haben, das sind wohl für die meisten Menschen wichtige Zutaten für Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden. Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder Suchtproblematik haben in ihrem Leben häufig die Erfahrung gemacht, „nicht dazuzugehören“ oder von der Gesellschaft „nicht gebraucht“ zu werden. Ganz anders ist das beim Angebot des kbo-Sozialpsychiatrischen Zentrums (kurz: kbo-SPZ) zur Beschäftigung und Tagesstruktur in Wasserburg am Inn. Hier befinden sich unter einem Dach die Kontakt- und Begegnungsstätte (kurz: KuB, auch für Menschen mit einer Suchterkrankung), die Tagesstrukturierenden Maßnahmen (kurz: TSM) sowie der Zuverdienst. Die Heilerziehungspflegerin Lena Zielke arbeitet in diesem Bereich und gibt im Interview Einblick in ihre Arbeit und hinter die Kulissen.
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Die Angebote zur Beschäftigung und Tagesstruktur unterscheiden sich hinsichtlich der Verbindlichkeit und der Inhalte. So kann die KuB als niederschwelliges Angebot ohne Voranmeldung besucht werden, während im Zuverdienst und in der TSM schwerpunktmäßig arbeitsähnliche Tätigkeiten unterschiedlicher Sparten ausgeführt werden. Für alle Klientinnen und Klienten sowie Besucherinnen und Besucher gibt es ein gemeinsam zubereitetes Mittagessen, fachkompetente Beratung und Unterstützung, vielfältige Gruppenangebote und bei Bedarf Einzelberatung zu unterschiedlichsten Themen.
Seit wann bist Du im kbo-SPZ und wie hat es Dich zu uns verschlagen?
Lena Zielke – L. Z.: Ich bin seit Januar 2022 dabei und bin tatsächlich „abgeworben“ worden. Eine Freundin von mir arbeitet im kbo-SPZ und hat mir schon immer davon vorgeschwärmt. Dann war die Stelle frei und ich habe mich beworben. Vorher war ich für elf Jahre im vollstationären Setting einer offenen Langzeiteinrichtung im Wohnbereich und auch in der hauseigenen Werkstatt beschäftigt.
Was ist für Dich der größte Unterschied zu Deinem vorherigen Arbeitsplatz?
L. Z.: Zum einen würde ich sagen, dass im ambulanten Setting einfach noch mehr mit und für die Klientinnen und Klienten bewegt werden kann. Und man darf auch nicht unterschätzen, dass einem ein großer öffentlicher Arbeitgeber wie kbo einfach mehr Sicherheit gibt. Die Strukturen und Abläufe sind klarer und verlässlicher als bei einem privaten Unternehmen.
Du gehörst zum Team der Kontakt- und Begegnungsstätte. Was macht einen typischen Arbeitstag bei Dir aus?
L. Z.: Eigentlich der Kontakt zu ganz vielen verschiedenen Menschen. Über die Woche verteilt habe ich Kontakt zu 24 bis 30 Klienten. Und bei so vielen verschiedenen Menschen wird man automatisch mit ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern, Lebensgeschichten und auch Themen, die die Klienten beschäftigen, konfrontiert. Das finde ich wahnsinnig spannend. Und auch die Abwechslung aus Kreativsein, Kochen für 15 bis 25 Personen und Gespräche führen. Mein Arbeitstag ist ganz breit gefächert und nie langweilig.
Was ist denn Deiner Meinung nach das Besondere an der Kontakt- und Begegnungsstätte?
L. Z.: Zum einen das ganze Konzept: Hier befinden sich Tagesstrukturierende Maßnahmen, Zuverdienst, Kontakt- und Begegnungsstätte und Wohnen unter einem Dach. Das ist wirklich etwas Besonderes, weil üblicherweise jedes Angebot einen anderen Standort hat.
Hier im Haus und in der Nähe haben wir viele therapeutische Wohngemeinschaften und viele dieser Klientinnen und Klienten nehmen auch unsere Angebote der Tagesstruktur und Beschäftigung wahr. Diese Vernetzung kommt allen zugute.
Besonders finde ich außerdem, was wir anbieten. Wir haben verschiedene Gruppenangebote und können uns hier auch nach den Wünschen und Vorschlägen der Klienten richten. Es gab zum Beispiel die Nachfrage nach einer Englisch-Gruppe, die jetzt von einer Kollegin angeboten und sehr gut angenommen wird. Oder ein Klient äußerte den Wunsch, etwas aus Holz für sein Zimmer bauen zu wollen. Dann haben wir seine Idee geneinsam umgesetzt. Wir versuchen, unsere Angebote an die Klienten anzupassen und nicht die Klienten an die Angebote.
Um so arbeiten zu können, muss auch das Team stimmen. Was macht Euer Team aus?
L. Z.: Jeder bringt sich mit seinen Fähigkeiten, Stärken und Interessen ein. Ich könnte zum Beispiel nicht die Englisch-Gruppe leiten, weil es mir nicht liegt. Aber meine Kollegin ist sprachbegabt und kommt mit ihrem Angebot der Englisch-Gruppe sehr gut an. Ich biete dafür eine Achtsamkeits- und eine Entspannungsgruppe an. Zudem ist das Team insgesamt sehr jung und dynamisch und immer offen für neue Ideen und Veränderungen.
Du hast jetzt schon einige Jahre Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Was ist Dir persönlich bei dieser Arbeit wichtig?
L. Z.: Die Arbeit auf Augenhöhe und auch eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Klientinnen und Klienten sich wohlfühlen. Als mir im Vorstellungsgespräch für die Kontakt- und Begegnungsstätte gesagt wurde, dass hier Klienten gesiezt werden, hatte ich echt Sorgen, dass dies zum Problem werden könnte. Auf Augenhöhe begegnen und siezen, kann das funktionieren? Ich kann sagen: ja, es funktioniert. Es ist diese Waage aus Professionalität und gleichzeitig eben auch wirklich voll auf Augenhöhe sein und einfach auch mal lustig sein, einen Scherz machen, was mir in meiner Arbeit wichtig ist. Und das wird hier gelebt.
Vielen Dank fürs Interview, liebe Lena.