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kbo-Isar-Amper-Klinikum benennt zentralen Platz nach Prof. Dr. Gerhard Schmidt

Zusammenfassung: Ein neu benannter Platz am Isar-Amper-Klinikum Haar trägt heute den Namen eines ehemaligen Ärztlichen Direktors und setzt damit ein klares Zeichen gegen das Vergessen. Seit mehreren Jahren arbeitet das kbo-Klinikum Verbrechen der NS-Zeit konsequent auf und findet nun auch den Raum, Prof. Dr. Gerhard Schmidt gebührend zu würdigen. „Es ist aus meiner Sicht auch der richtige Platz, direkt im Zentrum des kbo-Klinikums und vor der zentralen Aufnahme. Hier suchen Menschen in seelischen Krisen Hilfe und bekommen sie professionell“, so der ehemalige Bezirkstagspräsident Josef Mederer.

Von Henner Lüttecke am

Prof. Dr. Gerhard Schmidt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Direktor der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar ernannt. Sofort begann er, die furchtbaren Euthanasie-Verbrechen in der Anstalt zu dokumentieren. Während der NS-Diktatur schickte sie 4.000 Menschen in den Tod. Sie wurden von dort aus in Tötungsanstalten deportiert und ermordet, systematisch in sogenannten „Hungerhäusern“ zu Tode gehungert oder mit Medikamenten getötet. Darunter befanden sich auch 332 Kinder, die in der sogenannten „Kinderfachabteilung“ ums Leben kamen. „Die damalige Anstalt war ein zentraler Ort der Euthanasie-Verbrechen, der damalige Direktor Pfannmüller einer der wichtigsten Organisatoren der systematischen Morde. Aus Haar wurden die ersten psychiatrischen Patienten überhaupt aus einer Anstalt in eine Tötungsanstalt gebracht: Am 18. Januar 1940 wurden die ersten Männer in die Tötungsanstalt Grafeneck deportiert und noch am selben Tag ermordet“, erläuterte Mederer das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Anstalt.


Eine Stimme für die NS-Opfer

Es gab nur wenige Menschen, die direkt nach dem Zweiten Weltkrieg den Mut fanden, die Verbrechen aufzuklären und vor allem auch die Öffentlichkeit informieren wollten. Prof. Schmidt war einer dieser besonderen und mutigen Menschen. Direkt nach seinem Amtsantritt klärte er auf. So versuchte er beispielswiese, die Bevölkerung durch ein Interview im Bayerischen Rundfunk aufzurütteln. Er ließ die Verbrechen dokumentieren und die Schicksale der Menschen in den Hungerhäusern niederschreiben. „Es gelang ihm sogar gegen großen und nachhaltigen Widerstand, die schlimmsten Verbrecher aus dem Klinikum entfernen zu lassen. Hier ging er konsequent vor, weil er wusste, was in dieser Anstalt passiert war“, erläuterte Prof. Peter Brieger, Ärztlicher Direktor des kbo-Isar-Amper-Klinikums. Aber, und dies ist bis heute beschämend und belastend, er wurde durch Intrigen innerhalb des Klinikums und mit Unterstützung der damaligen Politik nach nur einem Jahr entlassen. Er wurde nicht nur entlassen, sondern mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt.


Veröffentlichung stößt auf Widerstand

Die NS-Verbrechen fasste Prof. Schmidt in dem Buch „Selektion in der Heilanstalt“ zusammen. Heute gilt dieses Buch als Standardwerk in der Aufarbeitung der Euthanasie-Verbrechen. Wahr ist auch, dass es fast 20 Jahre dauerte, bis dieses Buch überhaupt veröffentlicht wurde. „Zahlreiche Verlage weigerten sich, das Buch zu verlegen, sie unterstellten Schmidt, er wäre ein Lügner und Nestbeschmutzer. Auch der Widerstand innerhalb der Ärzteschaft war groß. Sie warnten ihn ausdrücklich vor der Veröffentlichung. Erst 1965 wurde es veröffentlicht und ist seitdem unverzichtbar“, berichtete Brieger.

Prof. Schmidt und seine Aufklärungsleistung wurden lange Zeit im heutigen kbo-Klinikum verdrängt und verschwiegen. Es schien, als würde selbst das Klinikum versuchen, die Aufklärungsarbeit zu ignorieren.

Nach seiner Demission weigerte sich Prof. Schmidt konsequent, das Klinik-Gelände noch einmal zu betreten. Die wenigen, auch halbherzigen Einladungen des Klinikums, schlug er verständlicherweise aus. Zu tief waren die persönlichen Verletzungen und Verleumdungen. „Wir bedauern dies, aber seine Entscheidung war und ist auch heute noch nachvollziehbar. Umso mehr freut es mich, dass heute die Nachfahren von Herrn Schmidt anwesend sind. Ihr Vater und Großvater hat Bedeutendes geleistet, er war Aufklärer und Mahner zugleich. Ohne sein Drängen und Wirken wäre die Aufarbeitung unvollständig. Die Benennung des Platzes nach Prof. Schmidt ist beides: Anerkennung für sein Wirken und die Mahnung an uns, dass die Würde des Menschen unantastbar ist“, so Brieger.

„Ende Mai erhielt ich einen Anruf vom kbo-Isar-Amper-Klinikum in Haar, dass dieser Platz, auf dem wir jetzt versammelt sind, nach meinem Vater Gerhard Schmidt benannt wird. Was war das für eine Überraschung! Was für eine tolle Nachricht! Mein erster Gedanke war: Endlich erfährt er Gerechtigkeit“, erzählt Stephan Schmidt, Sohn des früheren Ärztlichen Direktors Gerhard Schmidt und zeigte sich erleichtert.