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EX-IN: Genesungsbegleitung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie

Zusammenfassung: Tanja Sabrowsky ist eine Pionierin: Sie gehört zu den ersten EX-IN-Genesungsbegleiterinnen, die ihr Pflichtpraktikum in der Kinder- und Jugendpsychiatrie absolviert haben. Ihr Wunsch war es, im kbo-Heckscher-Klinikum Erfahrungen zu sammeln. Nach einem Gespräch mit der Pflege- und Erziehungsdirektorin Lena Heyelmann stand fest: Es ist einen Versuch wert.

Von Ruth Alexander am

Themen:

Was ist EX-IN?

EX-IN“ steht für „Experienced Involvement“ und bezeichnet ein Konzept, bei dem Menschen mit eigener Psychiatrie-Erfahrung als Genesungsbegleiterinnen und -begleiter ausgebildet werden. Sie arbeiten in psychosozialen Diensten, in der Fachkräfteausbildung oder im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Ihr Erfahrungswissen ist eine wertvolle Ergänzung in der psychiatrischen Versorgung.

Tanja Sabrowsky bringt ihre eigene Geschichte mit: Bereits in der Kindheit machte sie belastende Erfahrungen, zahlreiche Klinikaufenthalte prägten ihr Leben. Doch sie hat einen starken Willen, anderen zu helfen. Ihre eigene Genesungserfahrung gibt ihr eine besondere Perspektive, die sie mit jungen Patientinnen und Patienten teilen kann: 

„Ich kann das so gut verstehen, dass du frustriert bist, denn ich kenne das Gefühl nur allzu gut.“

Eine Brücke zwischen Patienten und Fachkräften

Genesungsbegleiterinnen und -begleiter können als Vermittler zwischen Patientinnen, Patienten und dem Fachpersonal fungieren. „Manchmal ist die Distanz zwischen Jugendlichen und Mitarbeitenden groß, weil diese nicht die gleichen Erfahrungen gemacht haben“, erklärt Paul Ventzlaff, Leiter des Pflege- und Erziehungsdienstes. Tanja Sabrowsky konnte eine Brücke schlagen und wurde von den Jugendlichen sofort akzeptiert. Sie fanden schnell Vertrauen zu ihr und fühlten sich verstanden, da sie aus eigener Erfahrung sprach.

Auch die leitende Psychotherapeutin Sabrina Kroll sieht große Vorteile: „Es ist eine wertvolle Ergänzung, um Patientinnen und Patienten besser zu verstehen, besonders wenn sie sich verschließen.“ In einer Skills-Gruppe teilte Tanja Sabrowsky ihre eigene Skill-Box mit den Jugendlichen, was große Neugierde und Begeisterung auslöste. [Eine Skill-Box enthält kleine Hilfsmittel, die in akuten Stressmomenten helfen können, Anspannungen abzubauen und alternative Bewältigungsstrategien zu nutzen, Anm. d. Red.] „Es gab auch Aspekte, die für mich neu waren, wie die Erkenntnis, dass sich manche Skills abnutzen. Das war eine wichtige Erfahrung für uns alle. Die Jugendlichen haben viel daraus mitgenommen und konnten eigene Bewältigungsstrategien weiterentwickeln.“

Ein bereicherndes Praktikum

Das Praktikum im kbo-Heckscher-Klinikum war für Tanja Sabrowsky eine sehr positive Erfahrung. Sie wurde von Anfang an ins Team integriert und als gleichwertige Kollegin wahrgenommen. „Die Nachfragen nach meiner Sichtweise habe ich als sehr wertschätzend empfunden“, berichtet sie. Auch die Jugendlichen zeigten großes Interesse: „Wie war das bei Ihnen? Was hat Ihnen geholfen?“, lauteten ihre Fragen. Sie erlebte dabei, wie wichtig es für junge Menschen sein kann, mit jemandem zu sprechen, der ähnliche Herausforderungen durchlebt hat. Diese Gespräche boten ihnen eine neue Perspektive und vermittelten Hoffnung.

Die positive Resonanz bestätigen auch die Patientinnen und Patienten selbst. Eine von ihnen schrieb ihr: „Sie sind eine echt beeindruckende Frau. Ich hoffe, auch irgendwann so von mir selbst reden zu können, mich wertzuschätzen, mich selbst zu lieben. In der Hinsicht sind Sie eines meiner Vorbilder. Danke, dass Sie hier waren und so motiviert durch den Alltag in der Heckscher-Klinik gegangen sind.“

Blick in die Zukunft

Für Stationsleiter Paul Ventzlaff war die Integration von Frau Sabrowsky ein wertvoller Prozess: „Die Abstimmung und der Austausch haben gut geklappt, und wir haben viel gelernt. Für künftige Einsätze halte ich das für sehr wichtig. Wir sehen, dass Genesungsbegleitung nicht nur eine theoretische Idee ist, sondern in der Praxis tatsächlich wirkt.“

Auch Tanja Sabrowsky zieht ein positives Fazit: „Ich habe mich von Anfang an wertgeschätzt gefühlt. Ich konnte meine Erfahrungen weitergeben und gleichzeitig selbst noch einiges lernen.“ Sie hofft, bald eine feste Anstellung als EX-IN-Begleiterin zu finden und weiterhin junge Menschen auf ihrem Genesungsweg zu unterstützen.

Das Experiment war ein Erfolg. Vielleicht wird EX-IN-Genesungsbegleitung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bald zur Normalität.