100 Jahre kbo-Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen (Vils)
Es ist eine bewegte Geschichte, auf die das heutige kbo-Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen (Vils) zurückblicken kann und darf. Vor genau 100 Jahren, im Mai 1921, wurde der erste Pflegling, wie damals Patientinnen und Patienten genannt wurden, in der damaligen Landesarmenanstalt aufgenommen.
In den 100 Jahren haben sich die Namen und der Versorgungsauftrag geändert, gleich geblieben ist immer der Träger der Klinik: gegründet vom damaligen Kreis und heutigem Bezirk Oberbayern.
Gerne hätte das Klinikum diesen Geburtstag mit den Bürgerinnen und Bürgern gefeiert, vieles war geplant: verschiedene Symposien, ein Tag der offenen Tür, Jazz im Park des Klinikums, eine gemeinsame Filmreihe mit dem Taufkirchener Kino, Kooperationen mit den hiesigen Regelschulen. Vieles wurde ein Opfer der Pandemie, zum Glück laufen die Projektarbeiten mit der Realschule Taufkirchen und dem Gymnasium Dorfen.
Gründung der Klinik
Drei Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, mitten hinein in die heftigen politischen Auseinandersetzungen und die beginnende wirtschaftliche Katastrophe der Weimarer Republik, öffnete die Landesarmenanstalt ihre Pforte. Auch wenn bereits 1924 der Name der Einrichtung in Landesfürsorge geändert wurde, blieben die Aufgaben doch gleich: stationär ausgerichtete und arrangierte Hilfserbringung für unterstützungsbedürftige Menschen. Der Bedarf war hoch: Neben der Fürsorgepflicht gegenüber den sogenannten Landarmen – Notleidende ohne Unterstützungswohnsitz – trug man die Verantwortung für die Gewährleistung und Ausführung der Anstaltspflege, welche sich auf „hilfsbedürftige Geisteskranke, Geistesschwache, Blöde, Epileptische, Blinde, Taubstumme, Krüppelhafte und unheilbare, abschreckend oder ansteckend kranke Sieche“ bezog.
Dunkle Zeiten
Stand bis 1933 noch die Versorgung der Pfleglinge im Mittelpunkt, so begann mit der NS-Diktatur 1933 auch in Taufkirchen die Ausgrenzung der Patientinnen und Patienten: Zwangssterilisationen wurden angeordnet, auch wurden Patientinnen und Patienten der Taufkirchener Anstalt Opfer der sogenannten „T4“-Aktion: Pfleglinge wurden nach Haar deportiert und zum Teil von dort direkt in die Tötungsanstalt Hartheim (Oberösterreich) gebracht. Andere wurden in sogenannten Hungerhäusern in Haar untergebracht und starben durch „Hungerkost" den Hungertod. Wie in zahlreichen anderen psychiatrischen Einrichtungen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die Schicksale der Opfer ignoriert, niemand kümmerte sich um sie. Die Täter jedoch lebten unbehelligt weiter.
Zeit des Wandels
Die größten Veränderungen der Taufkirchener Klinik nach 1945 wurden durch die 1975 erlassene Psychiatrie-Enquete angestoßen: Die katastrophalen und zum Teil menschenunwürdigen Zustände in den Kliniken, die Hospitalisierung und auch die Perspektivlosigkeit der Patientinnen und Patienten wurde angeprangert. Auch Taufkirchen musste sich ändern und einen neuen Weg einschlagen: Statt einer Einrichtung für „Langlieger“, die zum Teil ihr Leben in der Klinik verbrachten, sollte eine moderne Akut-Klinik aufgebaut werden. Mehr als 20 Jahren vergingen, bis Mitte der 1990er Jahre dieser Wandel vollzogen war. Ein Wandel, der nur gelingen konnte, weil außerhalb der Klinik ein ambulant-komplementäres Netzwerk aufgebaut wurde und dadurch Patientinnen und Patienten auch außerhalb des Klinikums behandelt werden konnten. Dieses Netzwerk, das heutzutage selbstverständlich ist, fehlte bis in die 1990er Jahre größtenteils.
Kontrovers wurde in der Öffentlichkeit und den Medien 1998 diskutiert, ob die Frauenforensik in Taufkirchen ihren Platz finden sollte. Bis dahin waren die psychisch kranken Straftäterinnen in Haar therapiert worden. Mehrere öffentliche Gemeindesratsitzungen waren notwendig, um die Bürgerinnen und Bürger von der Notwendigkeit zu überzeugen. Die Sorge der Menschen vor möglichen Straftaten der forensischen Patientinnen hat sich übrigens nie bewahrheitet.
1998 wurde das Huntington-Zentrum Süd gegründet, eine wichtige Anlaufstelle für betroffene Patientinnen und Patienten aus dem gesamten süddeutschen Raum. Die Regionalisierung der Psychiatrie wurde durch die Eröffnung der Tagesklinik Freising im Jahr 2010 vorangetrieben und umgesetzt.
Die Klinik heute
Elementar für das Klinikum war und ist die Berufsfachschule für Pflege: Seit über 30 Jahren bildet sie junge Menschen in einem modernen und verantwortungsvollen Beruf aus, mit großem Erfolg. Über 45 Auszubildende bekamen für außerordentliche Leistungen den bayerischen Staatspreis verliehen. Und die kbo-Berufsschule ist das Rückgrat der Pflege des Klinikums, viele der Auszubildenden bleiben nach der Ausbildung im Haus.
Heute ist das kbo-Klinikum Taufkirchen ein zentraler Baustein der psychiatrischen Versorgung der gesamten Region. Bundesweit ist das Klinikum insbesondere für das Huntington-Zentrum bekannt: Das Huntington-Zentrum-Süd ist das größte seiner Art in Deutschland. Pro Jahr behandelt das Klinikum circa 3.000 Patienten stationär, tagesklinisch oder ambulant und sichert mit seiner Tagesklinik Freising die Versorgung der Kreisstadt.
Auch wenn die Pandemie viele der geplanten Projekte verhindert hat, die 100-Jahr-Feier ist fest geplant: Am 15. September findet die Feierlichkeit statt. Und die 100 Jahre Geschichte des Klinikums werden in einer Chronik nachzulesen sein. Daran arbeitet ein Team des Klinikums.