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Kindersprechstunde hilft Familien in schwierigen Situationen

Seit einem Jahr hilft die Kindersprechstunde in der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Landsberg am Lech Familien in schwierigen Situationen.

Wenn Eltern unter einer psychischen Störung leiden, dann betrifft die Erkrankung immer auch ihre Kinder. Sie spüren, dass irgendetwas mit Mama oder Papa nicht stimmt, und erleben, dass vielfach auch die Einnahme von Medikamenten nötig ist. Häufig führt das bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen zu einer starken Verunsicherung und Angst, vor allem dann, wenn sie die Gründe nicht kennen und das Geschehen nicht einordnen können. Mitunter leiden sie unter Schuld- und Schamgefühlen und fühlen sich für das Auftreten der Erkrankung mitverantwortlich, vielleicht weil sie mal frech waren oder ihr Zimmer nicht immer aufgeräumt haben. Gleichzeitig können oder wollen sie nicht darüber sprechen, um den betroffenen Elternteil nicht noch zusätzlich zu belasten. Nicht selten fühlen sie sich mit der Situation überfordert und allein gelassen.

Zeitnah, freiwillig und bedarfsgerecht

Die Kindersprechstunde in der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Landsberg am Lech ist ein zeitnahes, freiwilliges und bedarfsgerechtes Beratungs- und Unterstützungsangebot für Kinder von Patientinnen und Patienten, die im Rahmen der ambulanten, teilstationären und stationären Versorgung in der Klinik behandelt werden. Es ist das einzige Angebot dieser Art in den Landkreisen Weilheim/Schongau, Landsberg und Starnberg und ein aus Sicht des Chefarztes, Dr. Robert Kuhlmann, essentielles Angebot, „um Familien mit psychisch erkrankten Eltern und vor allem deren Kinder zu stützen, ihnen zu helfen und sie möglichst vor einer eigenen Erkrankung zu bewahren, es dient also auch der Prophylaxe".
Art und Umfang der Beratung erfolgen immer in unmittelbarer Abstimmung mit den betroffenen Patientinnen und Patienten sowie mit den nicht erkrankten Elternteilen und/oder weiteren Familienangehörigen. 

Eines der wichtigsten Ziele der Kindersprechstunde ist die altersgerechte Aufklärung und Information über die Erkrankung des Elternteils, „wir arbeiten gemeinsam heraus, welche Fragen und Befürchtungen es gibt und ob und welche Hilfe nötig ist“, erklärt Yvonne van Gemert, Diplom-Sozialpädagogin, systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin/Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie und Familientherapie (DGSF).

„Oft wissen die Kinder viel länger über die Erkrankung Bescheid, als die Eltern meinen"

Häufig glauben Eltern, ihre Kinder am besten schützen zu können, wenn sie nicht mit ihnen über ihre Erkrankung sprechen. Sie wollen jegliche Belastung von ihnen fernhalten. Dabei spüren die Kinder, wenn sich etwas verändert hat, wenn es zuhause nicht mehr so ist wie früher, auch wenn nicht jedes Kind sofort offen reagiert, sondern auf seine eigene Art versucht, einen Umgang mit der neuen Situation zu finden. „Oft wissen die Kinder viel länger über die Erkrankung Bescheid, als die Eltern meinen, die davon ausgehen, diese vor ihrem Nachwuchs verbergen zu können“, meint van Gemert.
Besonders ältere Kinder machen sich dann beispielsweise im Internet selbst auf die Suche nach einer Erklärung für das elterliche Verhalten und stoßen so auf die psychische Erkrankung. Weil aber nicht mit ihnen gesprochen wird, sind sie verunsichert und zusätzlich verspüren sie Angst um den betroffenen Elternteil. Unter Schamgefühlen leiden nicht nur die Kinder, die ihre Freunde nicht mehr nach Hause einladen mögen, weil sie nicht möchten, dass diese den zum Beispiel alkoholkranken Elternteil sehen, sondern auch die Eltern. „Sie wollen nicht, dass ihre Kinder sie schwach erleben, sie wollen ihre Tränen und ihr wahres Befinden nicht zeigen“, berichtet die Sozialpädagogin.

Dabei gilt: Je älter ein Kind oder Jugendlicher ist, desto eher sind möglicherweise Ressourcen vorhanden, mit der schwierigen Familiensituation zurechtzukommen, denn die Abhängigkeit von den Eltern ist nicht mehr so groß. Dennoch brauchen auch sie mitunter Hilfe und Unterstützung. „Unser vorrangiges Ziel der Kindersprechstunde ist es, neben einer kindgerechten Aufklärung über die jeweilige Erkrankung und darüber, was in unserer Klinik passiert, die Kommunikation, das gegenseitige Verständnis und den Austausch innerhalb der Familie zu fördern und die Situation damit für alle zu erleichtern“, sagt van Gemert. Wenn die Dinge offen angesprochen würden, dann können Unterstützungsmöglichkeiten geschaffen werden. Die Mutter muss sich dann nicht mehr schlecht fühlen, wenn die Nachbarin einspringt und die Tochter zum Kindergarten fährt. Indem die Krankheit beim Namen genannt wird, verliert sie ihren Schrecken. „Es ist wie mit einer unsichtbaren Kiste mitten im Raum: Jeder stolpert darüber, aber keiner traut sich, sie aufzumachen und wegzuräumen“, veranschaulicht van Gemert das Dilemma. 

Den richtigen Umgang mit und in akuten Krisen lernen

„Es geht in der Kindersprechstunde zudem um den richtigen Umgang mit und in akuten Krisensituationen“, so die Expertin weiter, die die Eltern auch in Erziehungsfragen berät und bei Bedarf bei der Anbindung an weiterführende Hilfen unterstützt. Wichtig sei es, allen am Gespräch Beteiligten immer wieder zu signalisieren, dass eine psychische Erkrankung genauso gut behandelbar ist wie eine körperliche und dass es für alles eine Lösung gibt, und zwar für alle Beteiligten.

Die Sozialpädagogin, das wird deutlich, liebt ihre Arbeit mit Familien, „weil man merkt, wie alle mit- und untereinander verknüpft sind, es ist wie ein Mobile, stößt man einen Teil an, bewegen sich auch alle anderen". Am Ende steht immer ein offenerer Umgang mit der Erkrankung, eine Erleichterung bei allen Teilnehmern. Endlich kann man über alles reden.

Von Barbara Falkenberg 6. Mai 2021

Fragen?

Bei Fragen zur Kindersprechstunde können Sie sich montags, dienstags oder donnerstags unter der Telefonnummer 08191 333-2973 melden oder eine E-Mail schreiben an: Yvonne.vanGemert(at)kbo.de.