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Fünf Jahre Krisendienst Psychiatrie Oberbayern: „Dieses Netzwerk leistet hervorragende Arbeit“

0800 / 655 3000 – erste Hilfe für die Seele: Seit 2016 hatte der Krisendienst Psychiatrie Oberbayern rund 130.000 Telefonkontakte mit Menschen in seelischen Notlagen. Die mobilen Einsatzteams führten knapp 10.000 Hausbesuche und persönliche Beratungen durch. „Diese Zahlen zeigen: Die Hilfeangebote des Krisendienstes wirken“, sagte Bezirkstagspräsident Josef Mederer anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Netzwerkes. „Unser Beschluss war goldrichtig, verlässliche Krisenhilfe für alle Bürgerinnen und Bürger Oberbayerns zu schaffen.“

Der Krisendienst Psychiatrie Oberbayern wurde seit 2016 stufenweise aufgebaut und ist seit Herbst 2017 in allen 20 Landkreisen und den drei kreisfreien Städten präsent. Seit diesem Frühjahr ist die oberbayerische Krisenhilfe Teil der Krisendienste Bayern. Die Leitstelle ist rund um die Uhr erreichbar; die aufsuchenden Krisenteams sind 24/7 in Rufbereitschaft. „Für den Krisendienst sind in Oberbayern fast 1.000 hochkompetente Fachkräfte im Einsatz“, sagte Mederer in seiner Festrede. „Sie alle leisten hervorragende Arbeit.“

Ein Schritt zur Entstigmatisierung und Inklusion

„Menschen in seelischen Notlagen haben jetzt ihren eigenen Notruf“, sagte Mederer weiter. Der Krisendienst sei ein „wichtiger Schritt zur Gleichstellung, Entstigmatisierung und Inklusion von Menschen mit seelischen Erkrankungen“. Durch einen frühzeitigen Anruf bei der Leitstelle ließen sich chronische Krankheitsverläufe vermeiden. Die Kooperation mit Polizei und Kreisverwaltungsbehörden trage zudem zur Deeskalation von Krisensituationen bei. „Damit lassen sich viele Zwangseinweisungen in die Psychiatrie vermeiden. Wenn sich Menschen in seelischen Krisen freiwillig behandeln lassen, unterstützt das ihre Genesung wesentlich“, sagte der Bezirkstagspräsident. „Deshalb ist es enorm wichtig, sich frühzeitig helfen zu lassen.“

Im Krisendienst-Netzwerk kooperieren die Träger der freien Wohlfahrtspflege, die Kliniken des Bezirks Oberbayern (kbo) und weitere Netzwerkpartner beispielhaft. Der Bezirk Oberbayern hat den Krisendienst nach Ende der Projektphase in die Regelförderung übernommen. Er finanziert die aufsuchenden Hilfen, die Beratungstermine in den Sozialpsychiatrischen Diensten sowie die Träger der Abend-Wochenend-Feiertags-Dienste (AWF) mit rund 14,3 Millionen Euro pro Jahr; dazu steuert der Freistaat Bayern für die Kosten der Leitstelle rund 3,1 Millionen Euro bei.

Neue Geschäftsstelle und Strukturen

Die Steuerung und Weiterentwicklung des Netzwerks verantwortet künftig die Krisendienst Psychiatrie Oberbayern gGmbH. Deren gleichberechtigte Gesellschafter sind das kbo-Isar-Amper-Klinikum als Träger der Leitstelle sowie der Trägerverein der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege Oberbayern e. V. (Arge e. V.). Dieser verantwortet die aufsuchenden Hilfen. Erstmals arbeiten hier die kbo-Kliniken mit der Arge freie gleichberechtigt und auf Augenhöhe zusammen. „Dass wir als Kostenträger eines so großen Projektes die Steuerungsverantwortung abgeben, zeugt von großem Vertrauen in die Fähigkeit zur Zusammenarbeit so vieler Beteiligter“, erklärte Mederer, der auch Verwaltungsratsvorsitzender der Kliniken des Bezirks Oberbayern (kbo) ist.

Aus Sicht der Vorstandsvorsitzenden des Trägervereins, Karin Majewski, hat sich das Krisennetzwerk besonders in der Zeit der Pandemie bewährt. Das Krisennetzwerk könne „jedem hilfesuchenden Menschen in einer Krise Rund-um-die-Uhr ein Angebot machen – am Telefon, bei den Menschen vor Ort und in der weiterführenden Begleitung“, sagte Majewski, Geschäftsführerin des Paritätischen in Oberbayern. Das vertrauensvolle Zusammenwirken der vielen Mitarbeitenden und ihrer am Krisennetzwerk beteiligten Organisationen seien „die tragende Säule der Entwicklung und des Erfolgs“. Mit der neuen Geschäftsstelle bekomme das „Netzwerk nun das noch nötige Dach“. Majewski sagte weiter: „Der Krisendienst Oberbayern steht krisensicher und kann die zukünftigen Herausforderungen angehen.“

Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern, Dr. Charlotte Knobloch schrieb in einer Grußbotschaft: „Die Arbeit der bayerischen Krisendienste ist heute so wichtig wie nie zuvor: Denen, die nicht mehr weiter wissen, gibt sie im entscheidenden Moment wieder Halt und leistet so einen unschätzbaren Beitrag zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Dafür können wir alle – und kann ich – nur aus ganzem Herzen danken.“

In der neuen Geschäftsstelle ist die Diplom-Soziologin Cornelia Maier als Geschäftsführerin unter anderem für die Belange der Arge freie zuständig. Der Psychiater Dr. Michael Welschehold, langjähriger Leiter der Leitstelle, fungiert als Prokurist. Ziel der neuen Struktur ist die Bündelung der vielfältigen Aufgaben und Themen, die bei einem so komplexen Netzwerk wie dem Krisendienst anfallen. Dabei gilt es auch die regionalen Besonderheiten und Netzwerkstrukturen zu berücksichtigen.

Gleichzeitig erhofft sich die Geschäftsführung der Krisendienst gGmbH „Effizienz, kurze Entscheidungswege und die Stärkung der gemeinsamen überregionalen Weiterentwicklung“, wie Welschehold ausführte. „Ein besonderes Anliegen ist uns auch die klare Repräsentation gegenüber allen Kooperationspartnern in Oberbayern wie den Dienststellen der Polizei und regionalen Behörden. Auch wollen wir die Kontakte zur Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und zu den regionalen Psychosozialen Netzwerken weiter ausbauen.“

Im Anschluss wurden die Räume interreligiös von Präses Pfarrer Augustinus Bauer, Pfarrer Thorsten Nolting, Rabbiner Steven E. Langnas sowie Imam Belmin Mehic gesegnet.

Von Constanze Mauermayer 21. Oktober 2021