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Angehörigengruppe der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen startet wieder

Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen sind meist in einer schwierigen Situation: Einerseits sorgen sie sich, andererseits sind sie unsicher und fragen sich, wie sie sich ihrem erkrankten Familienmitglied gegenüber verhalten sollen. Um den Familien und Freunden eine Hilfestellung bei diesen Problemen zu geben, wurde vor fünf Jahren die Angehörigengruppe in Kooperation mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie Herzogsägmühle und der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen ins Leben gerufen. Nach einem gelungenen Start und steigender Nachfrage mussten die Treffen pandemiebedingt lange unterbrochen werden. In dieser Zeit bestand das Angebot von Einzelberatungen. Nun freuen sich alle Beteiligten auf den Neustart, unter ihnen auch zwei betroffene Mütter.                   

Eine von ihnen ist Lara K. (alle Namen geändert) aus Garmisch-Partenkirchen. Ihre Tochter Sarah war ein ausgesprochen fröhliches, ausgeglichenes Kind. Auch die Jugend verlief bis kurz nach dem Abitur problemlos, dann begannen die ersten Auffälligkeiten. „Sarah war plötzlich nicht mehr zuverlässig und sprach mit uns, mit mir und meinem Mann, immer weniger“, berichtet die 60-jährige Mutter. Zunächst dachte sie, das veränderte Verhalten sei der Pubertät geschuldet, „man möchte nicht wahrhaben, dass das eigene Kind unter einer psychischen Störung leiden könnte“, sagt sie. Eine eigene Krebserkrankung ließ die Situation zunehmend eskalieren. Sarah erschien nicht mehr zu den Mahlzeiten, zwei Tage lang war sie unterwegs, ohne die Eltern über ihren Aufenthaltsort zu informieren. Sie fixierte sich auf Fantasie-Bekanntschaften im Internet, brach alle Sozialkontakte ab und zog sich mehr und mehr in sich selbst zurück. Irgendwann war es für alle offensichtlich und auch Lara K. musste sich eingestehen: Ihre Tochter litt unter einer psychischen Erkrankung, aller Wahrscheinlichkeit nach unter einer Form von Schizophrenie. „Aber da Sarah jede Behandlung verweigert, ist das nur eine Verdachtsdiagnose“, erklärt ihre Mutter. Sarah lebt, nachdem sie ihr Studium der Publizistik in München abgebrochen hat, heute wieder daheim. Meist schließt sie sich in ihrem Zimmer ein, wenn es doch zu Begegnungen kommt, zeigt sie sich aggressiv, schlägt ihre Mutter, schreit sie an. Zuweilen ruft Lara K. deshalb die Polizei. Auch wenn ihr dieser Schritt jedes Mal große Schuldgefühle bereitet.

„Neben Gefühlen von Scham bestehen sehr häufig Selbstvorwürfe, Erleben von Ohnmacht, Ängsten und Ausgrenzung. Viele Angehörige stellen sich die Frage der eigenen Schuld und es ist eines der Ziele in unserer Gruppe, sie von ihren blockierenden Schuldgedanken zu entlasten und neue Möglichkeiten im Umgang mit den erkrankten Angehörigen zu erwerben“, erklärt die Sozialpädagogin Mechthild Warnstorff vom Sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie Herzogsägmühle in Garmisch-Partenkirchen. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Martina Fritz aus der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen leitet sie die Gruppe von etwa acht bis zehn Personen.

Lara K. besucht die Gruppe seit fünf Jahren regelmäßig. „Mir hat meine Teilnahme ungeheuer geholfen, die für mich unerträgliche Situation daheim zunächst zu verstehen und immer besser zu bewältigen“, berichtet sie. Durch die fachlich kompetente, aber vor allem auch sehr einfühlsame Unterstützung werde sie immer wieder aufgefangen. Auch die Gespräche und der Austausch mit Gleichgesinnten sind für Lara K. jedes Mal wieder eine Wohltat. „Ich habe in der Gruppe gelernt, auch auf mich achtzugeben und die Krankheit von Sarah nicht mehr als persönliches Versagen zu werten. Inzwischen habe ich mit dieser Unterstützung meiner Tochter gegenüber eine Klarheit entwickelt und kann heute viel besser Grenzen setzen und mit Hilfe der anderen neue Blickwinkel wahrnehmen.“

Auch Katharina M. gelang dieser Perspektivenwandel durch den regelmäßigen Besuch der Angehörigengruppe. Ihr Sohn Tim (31) leidet unter Angststörungen. Die psychischen Probleme des gelernten Schreiners begannen mit seinem 17. Lebensjahr. Drogenkonsum, komplette Abstürze wechselten mit besseren Phasen, in denen in Katharina M. jedes Mal wieder Hoffnung aufkeimte. Doch noch immer geht es Tim schlecht, er ist seit einigen Jahren berufsunfähig. „Es tut ungeheuer weh, ihn so leiden zu sehen und nicht helfen zu können“, spricht die 53-jährige Mutter offen über ihr eigenes Leid. Als sie von der Angehörigengruppe erfuhr, war sie zunächst skeptisch. „Ich dachte, dass ich das allein schaffen muss.“ Doch irgendwann überwand sie ihre Vorbehalte, auch aus der Not heraus. Anfangs habe sie in der Gruppe viel geweint, es sei nicht immer leicht gewesen, aber es habe dennoch gutgetan. „Ich erhalte neben vielen wertvollen Ratschlägen, zum Teil auch ganz praktischer Art, vor allem viel Zuwendung und Verständnis für meine Situation, die Gruppe fängt mich immer wieder auf“, sagt sie. Inzwischen geht sie jeden letzten Dienstag im Monat gern zu den Treffen im Herzen von Garmisch-Partenkirchen. Zuweilen hört sie nur zu, zuweilen spricht sie selbst viel, „aber immer tut es gut, dabei zu sein.“

Die Teilnehmenden in der Gruppe lernen, Situationen auszuhalten und zu akzeptieren. „Wenn man nicht gleich oder überhaupt nichts ändern kann, ist es wichtig zu lernen, zunächst die Situation anzunehmen und dabei auf sich selbst zu achten“, erklärt Warnstorff diesen wichtigen, oft schmerzhaften Lernprozess.

Dass zuweilen auch eine Nicht-Unterstützung hilfreich sein kann, erwähnt Fritz, „Alles dem anderen abnehmen zu wollen, ist nicht immer gut.“ Für die beiden Leiterinnen der Gruppe ist es immer wieder berührend, wie offen die Teilnehmenden in der Gruppe Gefühle wie Verzweiflung, Enttäuschungen, Kränkungen oder auch Hoffnung und Freude zeigen und teilen. Auch und gerade der Humor, das gemeinsame Lachen, dürfe dabei nicht fehlen. Katharina M. zieht eine durchweg positive Bilanz: „Ich bin durch die Gruppe stärker geworden, kann mit der Situation besser umgehen, Selbstfürsorge ist heute wichtiger geworden, ich nehme und gönne mir heute bewusst Auszeiten und schöne Dinge.“ Für beide betroffenen Frauen steht fest: Sie werden die Gruppe, die ihnen so viel Kraft und Halt gibt, weiterhin regelmäßig besuchen.                  

Termine:

Die Gruppe trifft sich jeden letzten Dienstag im Monat, außer in den Ferien, 18 bis 20 Uhr. Anmeldung erforderlich unter Telefon 08821 765-14.

Ort:

Sozialpsychiatrischer Dienst der Diakonie Herzogsägmühle in Garmisch-Partenkirchen

Am Kurpark 3, rückwärtiger Eingang, 2. Stock

82467 Garmisch-Partenkirchen

Mehr Informationen:

Martina Fritz, kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen , Telefon: 08821 77-6662

Mechthild Warnstorff , Sozialpsychiatrischer Dienst , Telefon: 08821 765-14

Von Barbara Falkenberg 19. April 2022

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Jeder dritte Bundesbürger wird im Laufe seines Lebens mindestens einmal psychiatrisch behandlungsbedürftig. Viele davon haben Angehörige, die mit ihnen leiden, bangen und hoffen.

Situation von Angehörigen

Über 50 Prozent der Menschen mit einer psychischen Krankheit werden von Angehörigen betreut. Eine Aufgabe (besonders bei Rückfällen und chronischen Verläufen), die die Familie und Freunde schnell an ihre eigenen Belastungsgrenzen bringt und immer wieder mit Schuld, Scham und Ausgrenzung konfrontiert. Angehörige schwanken einerseits zwischen Verständnis und Mitleid, wollen den Betroffenen schützen; andererseits zwischen Ohnmacht, Frustration und der Schwierigkeit, die Krankheit anzunehmen. Selbstfürsorge steht im Fokus, denn Angehörige befinden sich im Dauerstress und es besteht die Gefahr, selbst zu erkranken. So leistet die Angehörigengruppe auch einen wichtigen Beitrag zur Prävention.