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Adipositas-Therapie

Seit den 80er Jahren nimmt die Zahl der adipösen Menschen stetig zu. Diese Entwicklung wurde durch Corona nochmals verstärkt.

Jeder zweite deutsche Erwachsene leidet unter Übergewicht, jeder vierte unter krankhafter Fettleibigkeit (Adipositas), der Body-Mass-Index (BMI), bei dem Größe und Körpergewicht in Relation gesetzt werden, liegt bei ihnen über 30. Wie kann den stark und langzeitig Übergewichtigen am besten geholfen werden? Wie kann man ihrer Stigmatisierung, ihrer oftmals erfolgenden Ausgrenzung begegnen?

Fortbildungsveranstaltung beschäftigt sich mit dem Thema Adipositas

Mit diesen Fragen hat sich eine Fortbildungsveranstaltung der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen, des Adipositaszentrums des Klinikums Garmisch-Partenkirchen und des Medizinischen Versorgungszentrum am Klinikum befasst. Und auch festgestellt, dass „weniger essen“ eben oft nicht ausreicht. „Ausgrenzung, vermindertes Selbstwertgefühl, Rückzug, erfolglose Kuren und immer wieder ansteigende Gewichtsverläufe verstärken Frustration und führen in einen Teufelskreis“, beschrieb Privatdozent Dr. Holger Vogelsang, Chefarzt der Viszeral- und Thoraxchirurgie am Klinikum Garmisch-Partenkirchen in seiner Einladung zu der Veranstaltung das Dilemma. Folgen von massivem Übergewicht seien nicht selten Diabetes, Lungen- oder Herzerkrankungen sowie psychische Erkrankungen. Häufig werden dicke Menschen als faul, undiszipliniert, ungebildet und unsportlich betitelt. „Adipöse Menschen werden mit Vorurteilen belegt und diskriminiert wie keine andere Gruppe in unserer Gesellschaft“, sagt Privatdozent Dr. Florian Seemüller, Chefarzt der kbo-Lech-Mangfall-Kliniken Garmisch-Partenkirchen und Peißenberg. Da die Betroffenen diese Bewertung in ihr Selbstbild aufnehmen, leidet jeder zweite von ihnen unter chronischem Stress und psychischen Folgeerkrankungen. Viele der Patientinnen und Patienten kompensieren Frust und Stress auch mit Essen.

Therapieangebot an der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen

Deshalb bietet die kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen und das Klinikum seit zehn Jahren eine fachübergreifende Adipositas-Therapie an. „Mit ganz unterschiedlichen Behandlungsangeboten möchten wir den Patienten helfen, aus der Dauerschleife krankhaftes Übergewicht herauszutreten und gleichzeitig auch zu einer Ent-Stigmatisierung beitragen“, erklärt Chefarzt Dr. Seemüller. Während die Therapie sich an Patientinnen und Patienten wendet, wollte man mit der Fortbildungn, die psychologische und ernährungsmedizinische Aspekte beleuchtete, vor allem die behandelnden Ärzte sensibilisieren, „denn es hilft den Patienten kaum, wenn man ihnen rät, zu joggen und weniger zu essen“, erklärte Dr. Susanne Bayerköhler. Die Leiterin des Adipositas-Zentrums betonte, wie wichtig Sensibilität und der richtige Ton von Beginn an sind, um das Vertrauen der Patientinnen und Patienten zu gewinnen. Diäten, so die leitende Oberärztin am Klinikum, führen eher tiefer in die Adipositas hinein. Dazu hat auch die Pandemie beigetragen, unter anderem dadurch, dass sich adipöse Menschen nochmals mehr zurückgezogen haben, als sie es ohnehin schon tun.

Dr. Angela Biermann erklärte, dass es eigentlich ganz normal ist, wenn der Körper Fettzellen aufbaut. „Erst seit einigen Jahrzehnten, in denen wir immer mehr im Überfluss leben, ist das Problem von Übergewicht entstanden“, so die Fachärztin für Innere- und Ernährungsmedizin. Den Patientinnen und Patienten eine Struktur zu vermitteln und ihnen Essverhalten und die Auswahl der Lebensmittel bewusst zu machen, sind für sie die wesentlichen Bausteine der Ernährungstherapie. Ihre Kollegin, die Ökotrophologin Sabine Obermayer, ergänzte: „Schon in der Kindheit entsteht die Anlage, später an Fettleibigkeit zu erkranken.“ Die klinische Psychologin M. Sc. in der kbo-Lech-Mangfall-Klinik, Anna-Katharina Stöcklein, sieht ihre Aufgabe darin, „unseren Patienten die Zusammenhänge aufzuzeigen und sie zu einer lebenslangen Umstellung ihrer Essgewohnheiten, die sie in ihren Alltag integrieren, zu motivieren.“

Wie sehr man die Patientinnen und Patienten immer wieder unterstützen, sie überzeugen muss, sich möglichst rechtzeitig Hilfe zu holen, darauf verwies Dr. Petra Scherer, Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in der kbo-Klinik. „Weil sie zahlreiche negative Erfahrungen in ihrem Leben angesammelt haben, braucht es mitunter viel Zeit und Geduld, um diese ab- und Vertrauen aufzubauen.“ Bei all den Behandlungsangeboten ist, so die Expertinnen und Experten, ein grundlegender Faktor besonders wichtig: die Freude an der Verhaltensveränderung. Denn nur, wenn man Dinge gern tut, erweisen sie sich auch als alltagstauglich. „Es geht um Lebensqualität“, meinte Dr. Seemüller, „darum, Hilflosigkeit und Mutlosigkeit aufzulösen und das Selbstwertgefühl zu stärken.“ Dass es gerade auch gegen die psychologische Hilfestellung Vorbehalte gibt, hört der Mediziner immer wieder. „Ich bin doch nur dick, nicht deppert“. Diese Hürde zu überwinden ist laut Dr. Seemüller einer der wichtigsten Bestandteile des Therapieangebots.

Fazit der Expertinnen und Experten

Das Fazit der Expertinnen und Experten lautete: Die körperlichen, psychischen, aber auch gesamtgesellschaftlichen Folgen von Adipositas sind gravierend und werden durch die Corona-Pandemie nochmals verstärkt. Umso wichtiger sind rechtzeitige Aufklärung und Information im Sinne der Prävention und ein multimodales Therapie-Konzept, wie es hier angeboten wird.

Kontakt: E-Mail: adipositaszentrum(at)klinikum-gap.de.

Von Barbara Falkenberg 26. November 2021

Mehr Informationen zur Adipositas Sprechstunde

Auf der Website der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen erhalten Sie mehr Infos zur Adipositas-Therapie.