Videosprechstunde in Zeiten von Corona
Dr. Martin Huber, Oberarzt in der Psychiatrischen Institutsambulanz der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen, berichtet über seine Erfahrungen mit Videosprechstunden.
Aufgrund der Allgemeinverfügungen des Freistaates Bayern waren die Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) sowie die Tageskliniken gezwungen, die persönlichen Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren oder sogar einzustellen. Um die Versorgung der Patientinnen und Patienten, vor allem in Zeiten großer Verunsicherung, weiterhin sicherzustellen, musste schnell eine Lösung gefunden werden. Wir wollten auch in der Pandemie den persönlichen Kontakt zu unseren Patientinnen und Patienten aufrechterhalten und eine ambulante psychiatrische Versorgung gewährleisten.
Mit CGM (CompuGroup Medical) war es möglich, die kostenlose Videosprechstunde CLICKDOC zur Verfügung zu stellen. Per Videosprechstunde können ambulante Termine durchgeführt werden, ohne dass die Patienten dafür in die Ambulanz kommen müssen. CLICKDOC wurde durch die KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung) zertifiziert und erfüllt somit alle datenschutzrelevanten Anforderungen. Die Patienten und Klienten benötigen zur Nutzung der Videosprechstunde nur ein Smartphone, ein Tablet oder einen Laptop.
Durch die momentanen Vorsichtsmaßnahmen in der Krise nutzen immer mehr Beteiligte im Gesundheitswesen die Vorteile der Videosprechstunde: So stieg die Zahl der weltweiten Registrierungen allein bei CGM mittlerweile auf über 80.000. Pro Woche werden rund 24.000 Videosprechstunden in Deutschland durchgeführt, jede Videosprechstunde dauert im Schnitt neun bis zehn Minuten.
Nach dem Ende der Corona-Pandemie soll die Videosprechstunde bei kbo auch im regulären Betrieb weiter eingesetzt werden.
Dr. Martin Huber (MH) von der PIA der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen war einer der ersten Nutzer der Videosprechstunde CLICKDOC und berichtet in einem kurzen Interview davon.
Wie sind Ihre ersten persönlichen Erfahrungen mit dem Angebot der Videosprechstunde?
MH: Die Videosprechstunde war in Garmisch-Partenkirchen bereits geplant, um die Verfügbarkeit der PIA an unserem peripheren Standort zu erweitern. Durch die Corona-Pandemie ergab sich dann ein hoher Druck, eine rasche Lösung für die Weiterversorgung – neben dem Telefonkontakt – anzubieten. Unsere Patientinnen und Patienten sind ob der Möglichkeit der Weiterbetreuung per Videosprechstunde sehr dankbar. Für viele Patienten sind die ambulanten Termine eine von nur wenigen sozialen Kontaktmöglichkeiten durch die Isolationssituation.
Wie haben Ihre Patienten das Angebot der Videosprechstunde angenommen?
MH: Die Akzeptanz ist sehr unterschiedlich. Patienten, die technisch versiert sind und bereits Erfahrung mit Videotelefonie haben und gleichzeitig psychotherapeutische Gespräche oder Medikamentenberatungen ohne lange Anfahrtswege wünschen, nutzen das Angebot sehr gerne. Das Handling ist einfach und nach anfänglichen Schwierigkeiten (Browser etc.) in den meisten Fällen gut gelungen. Ältere Patienten nutzen lieber das Telefonangebot. Die Nutzung von Mitarbeiterseite war unterschiedlich und deutlich ausgeprägter auf der Seite jüngerer, technikaffiner Kolleginnen und Kollegen.
Welche Vorbehalte konnten Sie bei den Patienten feststellen? Sind diese eingetreten?
MH: Es bestanden überraschend wenig Vorbehalte und Rückfragen, auch nicht zum Thema Datensicherheit. Unserer Umsetzung und der Datensicherheit wurde großes Vertrauen entgegengebracht
Wie häufig nutzen Sie die Videosprechstunde?
MH: Fast täglich.
Welche Patienten konnten Ihrer Meinung nach davon besonders profitieren? Welche eher nicht?
MH: Für jüngere, technikaffine Patienten stellt die Videosprechstunde ein alltägliches Kommunikationsmedium dar. Die Nutzung zeigt sich teils ähnlich gut wie bei Vorort-Kontakten. Von älteren Patienten wird das Angebot kaum angenommen.
War die technische Umsetzung sehr kompliziert?
MH: Die technischen Voraussetzungen waren anfangs mittels Laptops gegeben, wobei Bild und Ton nicht optimal waren. Die aktuell verwendete externe Kamera- und Tontechnik verbesserte die Nutzung der Videosprechstunde dann deutlich und macht mehr Freude in der täglichen Nutzung. Eine ausreichend schnelle Internetverbindung (Breitbandverbindung) der Patienten verbessert die Qualität der Bildübertragung enorm.Sich selbst zu sehen, war anfangs ungewohnt, stört mittlerweile aber wenige.
Was denken Sie können kbo und insbesondere die PIA aus dieser Erfahrung mitnehmen?
MH: Die Videosprechstunde ersetzt die Vorort-PIA-Behandlung nicht. Sie stellt aber auch in Zukunft eine Ergänzung dar und kann bei langen Anfahrtswegen von Patienten, für Gesprächstherapien, in der Heimversorgung oder auch bei aufsuchenden Tätigkeiten einen Gewinn für die PIA darstellen.
Werden Sie das Angebot der Videosprechstunde auch in Zukunft – nach Corona – nutzen?
MH: Wenn die Videosprechstunde weiter vorgehalten wird, absolut Ja!
Das Interview führte Miriam Hailer, kbo-Kommunalunternehmen.
Fazit von PD Dr. Florian Seemüller, Chefarzt der kbo-Lech-Mangfall-Kliniken Garmisch-Partenkirchen und Peißenberg
„Gerade in der ländlichen Region unserer Versorgungsgebiete Garmisch-Partenkirchen und Weilheim-Schongau mit einer zum Teil schwierigen öffentlichen Infrastruktur ist die Videosprechstunde eine äußerst wertvolle Ergänzung, auf die ich nicht mehr verzichten möchte. Die Videosprechstunde bringt unsere Ärzte und Psychologen zum Patienten nach Hause. Im Gegensatz zu städtischen Regionen sind ärztlich-psychiatrische Heimbesuche hier deutlich schwerer realisierbar.
Die Videosprechstunde wurde in den Institutsambulanzen in Garmisch-Partenkirchen und Peißenberg etabliert und über das volle Leistungsspektrum – unter anderem Kriseninterventionen, Ersteinschätzungen, Psychotherapie, Kurzkontakte – genutzt. So gab es während der Corona-Krise Mitarbeiterinnen, die trotz geschlossener Grenze im Homeoffice von Österreich aus ihre Patienten in Garmisch behandeln konnten.
Sehr profitiert haben unter anderem auch Mütter, die aufgrund der Schulschließungen nur schwer auswärtige Termine wahrnehmen konnten.
Ältere technikbegeisterte Patienten – mein ältester Patient ist 78 – nutzen dieses Angebot deutlich seltener. Sie sehen es eher als Behelfslösung im Gegensatz zu jüngeren Patienten, aus deren Sicht es eine echte Alternative darstellen kann."