Stolperstein für Therese Mühlberger
Am 26. September 2020 ist zum Gedenken an Therese Mühlberger in Reit im Winkl ein sogenannter „Stolperstein“ auf dem Grundstück ihres ehemaligen Wohnhauses in der Weitseestraße 15 verlegt worden.
Im Vorfeld der Verlegung fand eine Gedenkveranstaltung im Festsaal der Gemeinde statt, mit Vorträgen von Helene Leitner, der Enkelin der Verstorbenen, Dr. Sybille von Tiedemann, Historikerin, Matthias Schlechter, 1. Bürgermeister der Gemeinde Reit im Winkl, und Dr. Michael Rentrop vom kbo-Inn-Salzach-Klinikum in Wasserburg.
In den Vorträgen wurde an das Leben und Wirken von Therese Mühlberger erinnert.Sie war in den 1920er Jahren Hebamme in Reit im Winkl bis zu ihrer Erkrankung zu Beginn der 1930er Jahre. 1940 wurde sie mit dem ersten Transport von Patienten aus Gabersee nach Schloss Hartheim bei Linz verlegt und dort ermordet. Erst sehr viel später wurde der Enkelin von Frau Mühlberger, Helene Leitner, das Schicksal ihrer Großmutter und deren Mitpatienten bewusst. Wie in vielen Familien und in vielen Institutionen war lange Zeit der Umstand, dass Therese Mühlberger Opfer der Krankenmorde der sogenannten Aktion T4 1940/41 wurde, verschwiegen. In ihrem Referat stellte Dr. Sybille von Tiedemann diese als „Euthanasie“ (griech.: sanfter Tod) getarnte Mordaktion des Nationalsozialistischen Regimes ausführlich dar und schilderte auch, wie nach Abbruch der Massentötungen weiterhin Patienten an psychiatrischen Kliniken durch Verhungern oder übermäßige Medikamentengaben bis 1945 getötet wurden. Bürgermeister Matthias Schlechter berichtete von ersten Anfragen an seinen Vorgänger, einen Stolperstein verlegen zu können, und der schrittweisen Umsetzung dieses Vorhabens in Reit im Winkl.
Dr. Michael Rentrop aus dem kbo-Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg am Inn erörterte in seinem Vortrag die Geschichte der psychiatrischen Klinik in Gabersee, gegründet als Modelleinrichtung für die Versorgung von Menschen mit einer psychischen Erkrankung in Oberbayern, über den Bruch der humanistischen Tradition mit Beginn des Nationalsozialismus, dem Abtransport von Patienten in die Tötungsanstalt nach Hartheim und der Schließung der Klinik 1941. Nach Wiedereröffnung des Krankenhauses im Jahr 1953 erfolgte eine lange Phase des Schweigens, erst 1994 wurde auf Initiative von Prof. Dr. Ludwig Bischof, damaliger Direktor des Bezirkskrankenhauses Gabersee, ein Denkmal für die ermordeten Patienten im Zentrum des Klinikgeländes errichtet. Abschließend beschäftigte sich Dr. Rentrop mit der Frage, was heute vor einem Rückfall in die Unmenschlichkeit schützen kann. Dabei wurden insbesondere Aspekte der Transparenz psychiatrischen Handelns, der Verankerung der psychiatrischen Kliniken in der Gesellschaft und das Zusammenwachsen von somatischer und psychiatrischer Medizin benannt.
Abschließend konnten die Besucher der Verlegung des Stolpersteins durch den Künstler Gunter Demnig vor Ort beiwohnen.