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Umgang mit Ängsten in der Coronavirus-Krise

Prof. Dr. med. Peter Zwanzger, bundesweit anerkannter Experte zum Thema Angsterkrankungen, erklärt im Interview, wie wir jetzt mit unseren Ängsten rund um die Coronavirus-Krise umgehen können.

Er ist der Angstexperte bundesweit: Prof. Dr. Peter Zwanzger, Ärztlicher Direktor am kbo-Inn-Salzach-Klinikum Wasserburg am Inn, ist derzeit als Chefarzt sehr gefordert, weil er die Versorgung und den Schutz der 500 Patienten und 1.500 Mitarbeiter organisieren muss. Jetzt hat er ein Interview zur Frage gegebem, wie wir mit unseren Ängsten rund um die Coronavirus-Krise umgehen können. 

Die Coronavirus-Pandemie ängstigt – sicherlich zu Recht – die Menschen. Kaum jemand wird sich davon freisprechen können, dass er Angst bekommt. Doch was können wir tun, dass unsere Angst nicht übertrieben groß ausfällt und uns aus der Bahn wirft?

Prof. Dr. Peter Zwanzger (PZ): Grundsätzlich steht fest: Angst hat eine wichtige Funktion, nämlich vor Gefahr zu warnen und ernst zu nehmende Entwicklungen wahrzunehmen. Ein gesunder Respekt ist angesichts der aktuellen Situation angebracht, damit wir die richtigen Dinge tun und die Lage nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wenn wir alle die Anweisungen und Regelungen ernst nehmen und sie befolgen, brauchen wir uns nicht zu fürchten, sondern können davon ausgehen, dass wir in ein paar Wochen Erleichterung finden. Wenn uns das bewusst ist, bleibt die Angst im gesunden Rahmen und die derzeit nicht angebrachte Panik aus.

Wie erklären Sie sich, dass es Menschen gibt, die Coronavirus-Partys veranstalten oder sich so gar nicht an die behördlichen Anweisungen halten? Haben diese Menschen keine Angst?

PZ: Ich gehe davon aus, dass dieses Verhalten weniger mit nicht vorhandener Angst, sondern mehr damit zu tun hat, dass diesen Menschen die Tragweite ihres Handelns nicht bewusst ist und sie die Situation noch immer nicht verstanden haben. Uns bleibt nichts anderes übrig als erklären, erklären, erklären. Es gehört in diesen Zeiten zur immer wieder eingeforderten Zivilcourage, Menschen, die mit diesem gefährlichen Verhalten auffallen, auf die Relevanz und Notwendigkeit der Schutzmaßnahmen und staatlichen Anordnungen hinzuweisen. Wir stellen jedoch bei uns im Klinikum fest: Fast alle, denen wir die Gefahr der Infektionsketten genau erklären, sagen: Ach so, verstehe, ich halte mich dran.

Leiden derzeit Menschen mit Angststörungen besonders intensiv unter der Krise?

PZ: Ja, das gilt für alle seelisch erkrankten Menschen. Sie reagieren besonders sensibel auf große gesellschaftliche Veränderungen. Wer keine Angststörung hat, wird durch die Corona-Krise nicht seelisch krank werden. Doch wer vorbelastet ist, bei dem kann die Pandemie weitere Sorgen auslösen oder als Co-Faktor die seelische Erkrankung quasi verstärken.

Hamsterkäufe und das Horten von Toilettenpapier: Sind das Zeichen für übertriebene Ängste? Und warum hamstern Menschen – vor allem Klopapier? Gibt es dafür eine Erklärung?

PZ: Ich glaube, das Hamstern ist eine Folge eines übertriebenen Perfektionismus, eines starken Optimierungsdrangs, der eine Folge des Wunsches ist, perfekt auf alles vorbereitet zu sein. Wir sollten jedoch den Erklärungen der Politik glauben, dass es zu keinen Einschränkungen bei der Versorgung kommen wird. Für den stark gestiegenen Kauf von Toilettenpapier habe allerdings auch ich keine Erklärung (lacht).

Von Heike Duczek (Oberbayerisches Volksblatt) 15. April 2020