
Das interdisziplinäre StäB-Team beim Austausch
Psychiatrische Behandlung zu Hause
Wie die stationsäquivalente Behandlung Menschen mit psychischer Erkrankung erreicht, die sonst durchs Raster fallen würden
In Peißenberg im Landkreis Weilheim-Schongau koordiniert die kbo-Lech-Mangfall-Klinik eine moderne Behandlungsform für Menschen mit psychischer Erkrankung: die stationsäquivalente Behandlung – kurz StäB. Der Ansatz ist einfach, aber wirkungsvoll: Nicht die Patienten kommen in die Klinik, sondern das Behandlungsteam kommt zu ihnen nach Hause.
Therapie zuhause statt Klinikaufenthalt
StäB richtet sich an Menschen, die eigentlich stationär behandelt werden müssten, aber aus verschiedenen Gründen nicht in die Klinik gehen können – sei es wegen Ängsten, familiären Verpflichtungen oder fehlender Mobilität. Besonders im ländlichen Raum ist dieses Angebot ein Gewinn: „Wir erreichen Menschen, die sich sonst keiner psychiatrischen Hilfe öffnen würden“, sagt Sabine Kühnel, organisatorische Leiterin im StäB-Team. Ein typisches Beispiel: die alleinerziehende Mutter ohne Auto, die schon auf Grund ihrer Situation keine Chance hat, einen Termin beim Facharzt wahrzunehmen.
Psychiatrische Behandlung im vertrauten Umfeld
Das Behandlungsteam besteht aus Ärzten, Pflegefachkräften, Psychologen, Therapeuten und Sozialpädagogen – wie auf einer Station. Auch medizinische Untersuchungen wie EKG oder Blutabnahmen finden vor Ort statt. Selbst Oberatzt-Visiten werden beispielsweis in der heimischen Küche des Patienten durchgeführt. Die Therapie orientiert sich eng an den Standards eines stationären Aufenthalts – nur eben im gewohnten Umfeld.
Beziehung und Vertrauen als Schlüssel
Ein großer Vorteil von StäB ist die Nähe, die im häuslichen Umfeld entsteht. „Ich kenne den Hund, die Familie, sogar die Oma, die gepflegt wird – das schafft Beziehung und Nähe“, so die Psychologin Ursula Bauernschmid-Kainz. Diese persönliche Verbindung kann helfen, Vertrauen aufzubauen und die Behandlung erfolgreicher zu gestalten – gerade bei Menschen, die Schwierigkeiten haben, sich in einer Klinik zurechtzufinden.
Hilfe für die ganze Familie
Psychische Erkrankungen betreffen oft nicht nur die Patienten selbst, sondern auch ihre Familien – insbesondere Kinder. Das StäB-Team bietet auch hier Unterstützung: Es geht mit den Eltern und Kindern gemeinsam auf den Spielplatz oder hilft bei alltäglichen Herausforderungen. „Manchmal erleben die Kinder durch uns endlich wieder Freude und Leichtigkeit“, erzählt Sabine Kühnel.
Flexibel, individuell, wirksam
Gemeinsam mit dem Patienten wird ein Wochenplan erstellt, aus dem hervorgeht, wann welche Therapie stattfindet. Die Visiten sind ausführlicher als in der Klinik – oft bleibt eine Dreiviertelstunde oder mehr Zeit für Gespräche. „So können wir gemeinsam über die nächsten Schritte nachdenken und individuell entscheiden, wie es weitergeht“, sagt Dr. Christian Bader, Ärztlicher Leiter des StäB-Teams in Peißenberg.
Zugang zur Behandlung
Eine Einweisung durch einen psychiatrischen Facharzt ist Voraussetzung für die Aufnahme. Danach folgt ein erstes Gespräch, bei dem der Ablauf erklärt und die Therapie geplant wird. Ausgeschlossen sind lediglich akut suizidgefährdete Menschen oder Personen mit ausgeprägtem Suchtmittelkonsum. Für alle anderen psychiatrischen Diagnosen ist StäB eine mögliche Behandlungsform.
StäB gibt es in mehreren Landkreisen in Oberbayern, darunter Miesbach, Bad Tölz – Wolfratshausen, Weilheim – Schongau und Landsberg am Lech. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite der kbo-Lech-Mangfall-Kliniken.
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