Zum Seitenanfang

"Ich bin regelrecht ausgebremst worden, konnte einfach nicht mehr."

Hilfe bei Depressionen in der Tagesklinik der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Agatharied

Arbeitsüberlastung führte Liane Manger in eine tiefe Depression. Hilfe fand die 58-jährige Krankenschwester und stellvertretende Stationsleiterin, die in Benediktbeuern lebt, in der Tagesklinik der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Agatharied. In einem offenen Interview erzählt die Mutter zweier erwachsener Kinder, wie es zu der Erkrankung kam und wie sie mit Hilfe verschiedener Therapien und Einzelgespräche aus der schlimmsten Krise ihres Lebens gestärkt hervorgegangen ist.

Frau Manger, Sie waren aufgrund eines Burnouts in Form von akuten Depressionen in Behandlung. Mögen Sie erzählen, wie es zu den Depressionen kam?

Das war ein schleichender Prozess, der im vergangenen Jahr kurz vor Weihnachten in einem Burnout, der sich in Depressionen zeigte, mündete. Es begann alles mit Schlafstörungen, ich war ständig müde und die negative Spirale begann, sich zu drehen. Ich fühlte mich am Ende von allem überfordert, war antriebslos und litt unter körperlichen Schmerzen in Kopf, Rücken und Bauch. Alles wurde mir zu viel, selbst Sport – früher bin ich gern geradelt, gejoggt, gerudert und habe Triathlon betrieben – wurde mir zu viel. Anfangs konnte ich zumindest noch Golf spielen, die Konzentration hat mich abgelenkt und kurzzeitig das Gedankenkarussell zum Stillstand gebracht, aber irgendwann war es auch damit vorbei. Die negativen Gedanken nahmen immer mehr zu und auch die Angst, im Job einen folgenschweren Fehler in der Behandlung der Patienten zu begehen. Deshalb habe ich mich schließlich aus der absoluten Not heraus dazu entschlossen, die Reißleine zu ziehen und mir professionelle Hilfe zu suchen.

Das ist Ihnen schwergefallen?

Ja, ich wollte meine Erkrankung lange Zeit nicht wahrhaben. Ich kannte Traurigkeit oder Melancholie bis dahin nicht, bin bis zu dem Burnout immer ein fröhlicher und ausgeglichener Mensch gewesen und dachte bis zuletzt, es allein zu schaffen. Das alles hat sich über zwei Jahre entwickelt, besonders das letzte war wegen Corona extrem hart, die Arbeitsbelastung stieg von Tag zu Tag und ich fühlte mich immer elender. Es kam eben einfach alles zusammen. Zudem trage ich gerade als stellvertretende Stationsleitung nochmals eine höhere Verantwortung und dachte, dass man mich auf Station auch aufgrund dieser Position besonders braucht. Man fühlt sich ja irgendwie immer unersetzlich – bis dann gar nichts mehr geht.

Und Sie sich zu dem Schritt entschlossen haben, sich in der Tagesklink der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Agatharied anzumelden.

Ich bin regelrecht ausgebremst worden, konnte einfach nicht mehr. Ich habe meine Hausärztin aufgesucht, sie riet mir dazu, mich in der der kbo-Lech-Mangfall-Klinik zu melden. Zunächst habe ich dort zwei Einzelgespräche mit einem sehr kompetenten Psychologen geführt. Danach war klar, dass Gespräche allein nicht ausreichen würden.

Und Sie haben sich zur Behandlung in die kbo-Tagesklinik begeben?

Richtig, dort wurde ein Therapieplan individuell auf meine Bedürfnisse zugeschnitten: Verschiedene Gruppenangebote wie Depressionsbewältigung, Umgang mit Gefühlen, Achtsamkeits- und Entspannungstraining, Aromatherapie oder Übungen zur Stresstoleranz wechselten mit weiteren Einzelgesprächen ab. Es war wie in der Schule, der Stundenplan war eng getaktet.

Und hat Ihnen gutgetan?

Ja, absolut. Ich habe auch in der Holzwerkstatt mitgearbeitet, Bewegung- und Kunsttherapie haben mir ebenfalls viel Spaß gemacht. So war ich von 8 bis 16 Uhr sieben Wochen lang in den besten Händen, fühlte mich rundum gut betreut und beschützt, habe jederzeit Hilfe bekommen und insbesondere auch die Gruppe mit immer denselben Mit-Patienten hat mir viel Kraft und Halt gegeben. Es ging von Tag zu Tag stetig bergauf.

Es gab es zwischendrin keine Krisen?

Nein, gar nicht, es war in der Tat ein Prozess, in dem ich ständig über mich gelernt habe und der eigentlich immer positiv war. Wenn auch nicht immer einfach. Und aus dem ich gestärkt hervorgegangen bin. Heute kann ich mit Stress viel besser umgehen und habe gelernt, auf Früh-Warnsignale zu achten und mich nicht zu übernehmen.

Welche Warnsignale sind das insbesondere?

Zum Beispiel, wenn der Schlaf wieder schlechter werden oder sich das Gedankenkarussell wieder drehen sollte. Oder wenn ich gereizter werde, darauf Acht zu geben und entsprechend gegenzusteuern. Die Werkzeuge habe ich in der Zeit, die ich in der Tagesklinik in Behandlung war, mit an die Hand bekommen.

Werden Sie weiterhin unterstützt?

Ja, ich werde ambulant im kbo-MVZ, dem kbo-Medizinischen Versorgungszentrum in Bad Tölz, weiter betreut. Ein sehr sinnvoller und hilfreicher Übergang in den Alltag, der wichtig und beruhigend ist, denn ich weiß: sobald ich allein nicht mehr zurechtkomme, finde ich hier schnell Unterstützung.

Was war in der Behandlung aus Ihrer Sicht vor allem wichtig für den Erfolg?

Neben der Professionalität der Behandelnden, die alle auch ein ganz großes Herz besaßen, und der Vielseitigkeit der Therapieformen vor allem die eigene Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Man muss wirklich gesund werden wollen, bereit sein, sich zu ändern und Hilfe anzunehmen. Und der Austausch in der Gruppe unter Gleichgesinnten, auch der hat ungeheuer gutgetan. Man wusste: man ist nicht allein mit seinen Problemen, es geht anderen genauso.

Was würden Sie anderen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden wie Sie vor der Behandlung, raten?

Sich nicht zu viel Zeit zu lassen, sich rechtzeitig Hilfe zu holen und diesen Schritt nicht aufzuschieben und hinauszuzögern. Ich habe einfach zu lange damit gewartet, zu lange gedacht und gehofft, es allein zu schaffen. Das war ein Fehler. Deshalb ist es so eskaliert. Hätte ich die frühen Symptome ernst genommen und wäre schon damals mit Beginn der Erkrankung in die Tagesklinik gegangen, es hätte mir viel Leid erspart.

Nehmen Sie weitere Erkenntnisse für sich persönlich mit?

Ich habe tatsächlich vieles fürs Leben lernen dürfen. Was meine Arbeit angeht, die Lektion, dass man eben nicht unersetzlich ist und anderen nur dann eine wirkliche Hilfe sein kann, wenn man selbst gesund und glücklich ist. Und dass man an sich arbeiten muss, sein Leben lang, auch das ist mir bewusst geworden. Ich sehe das Leben nun von einer ganz anderen Warte aus. Kann mich an einer kleinen Blume am Wegesrand, an der Wärme der Sonnenstrahlen und überhaupt an verschiedenen, kleinen Dingen im Alltag erfreuen.

Sie sind bewusster geworden?

Genau, im Wahrnehmen und Genießen. Im Hier und Jetzt zu leben, ist für mich inzwischen zu einer immerwährenden Übung geworden.

Was ist die Besonderheit, in einer psychiatrischen Tagesklinik behandelt zu werden?

Man bleibt in seinem gewohnten Umfeld und ist nachmittags wieder daheim. So wird man nicht aus seinem Alltag herausgerissen und kann Gelerntes auch gleich versuchen, umzusetzen und anzuwenden.

Frau Manger, wir danken Ihnen für dieses offene Gespräch und wünschen Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute!

Das Gespräch führte Barbara Falkenberg.

Informationen zur Tagesklinik

Anmeldung kbo-Tagesklinik Agatharied, Telefon: 08026 393-2138, per Fax 08026 393-4632 oder per E-Mail: anmeldung.lmk-aga(at)kbo.de mit Nennung der Kontaktdaten der Patientin oder des Patienten (Telefonnummer, E-Mail-Adresse). Daraufhin wird zeitnah ein Vorgespräch vereinbart.

 

Von Barbara Falkenberg 19. April 2022