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„Fotografieren ist eine gute Therapie“

Fotokunst-Therapie in der Tagesklinik der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen

„Perspektiven zu wechseln, das Schöne zu suchen, die Umgebung wahrzunehmen, die vergessenen Gegenstände zu finden und abzulichten – auch deshalb ist das Fotografieren eine gute Therapie“, so erklärt Josef Jonietz, Leiter der Projektgruppe an der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen, den Erfolg seiner Fotokunst-Therapie.

Die Patienten lernen hier in kleinen Gruppen, sich zu konzentrieren und gleichzeitig auch zu entspannen. Besonders in der aktuellen Corona-Situation eine wichtige Hilfe und Unterstützung. Und dass sie am Ende dann noch ein Foto als ein unmittelbares Ergebnis in den Händen halten, ist ein Erfolgserlebnis, das sie sehr schätzen und das auch das Selbstwertgefühl hebt.

„Wir suchen mit den Patienten nach Motiven aus dem Alltagsleben, arbeiten an der Umsetzung. Sie lernen zudem technisches und theoretisches Wissen wie etwa Kameraarten, Blendeneinstellungen, Verschlusszeiten, externer Lichteinsatz, Brennweiten, Perspektiven oder Objektivarten anhand einer Profikamera“, berichtet Jonietz über weitere Kurs-Inhalte. Neben der theoretischen Einheit zum Fotografie-Basiswissen wurden verschiedene Methoden der praktischen Fotografie angewandt.

„Die therapeutische Arbeit mit Fotos befasste sich beispielsweise rezeptiv mit bereits existierenden Bildern und ermutigte aktiv zur Aufnahme neuer Fotos. Im Praxisteil wurden die theoretischen Grundlagen in einem weiteren Schritt mit den eigenen Handys, semiprofessionellen Digitalkameras oder Tablets fotografisch umgesetzt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wählten aus den entstandenen Fotos einige aus, bearbeiteten oder verfremdeten sie. Im Anschluss wurden die Ergebnisse ausgedruckt, ausgestellt und die damit verbundenen Erlebnisse in der Gruppe besprochen.

„Das aktive Fotografieren und die Auseinandersetzung mit sich selbst und der eigenen Umgebung ermöglichen neue Zugänge zu sich und den eigenen Gefühlen, es sind Möglichkeiten des heilsamen Ausdrucks eventuell angestauter Emotionen“, sagt Jonietz.

Ein Teilnehmer, der als Motiv Katzenaugen in Nahaufnahme abgelichtet hat, berichtet: „Hier bekomme ich den Kopf frei, vergesse meine Gedanken und Sorgen und fühle mich entlastet.“ Ein anderer, der verschiedene Schlösser aufgenommen hat, berichtet, dass er früher schon gern fotografiert und sich durch das Therapieangebot wieder daran erinnert habe: „Seit ich hier in der Gruppe bin, habe ich meine Kamera, die seit drei Jahren in der Ecke lag, wieder hervorgeholt. Mich interessieren Formen und Materialien und ich kann mich beim Fotografieren sehr gut entspannen.“

Ein Dritter kam ohne jede Vorkenntnisse, fotografierte mit seinem Handy Teile seines Motorrades, Kette, Spiegel und wandte einige gelernte Fototechniken an. „Ich habe einfach ausprobiert und werde nun eine alte Nikon meiner Mutter wieder herrichten, habe ein neues Hobby für mich entdeckt und sehe viele Dinge heute anders, bewusster. Ich kann mich auch besser konzentrieren und bin insgesamt zufriedener geworden.“

Den Grundansatz dieser Therapieform erläutert PD Dr. Florian Seemüller, Chefarzt der kbo-Lech-Mangfall-Kliniken Garmisch-Partenkirchen und Peißenberg: „Das Erlernen einer neuen Fertigkeit kann das Selbstvertrauen enorm stärken, insbesondere dann, wenn so wunderbare Werke dabei entstehen. Zudem bietet sich das Fotografieren auch als symbolische Ausdrucksform für innere Vorgänge an, über die sich dann wieder mit den Therapeuten in der Gruppe sprechen lässt.“

Die Fotokunst-Therapie wird in der Tagesklinik der kbo-Lech-Mangfall-Klinik in Garmisch-Partenkirchen angeboten und richtet sich vor allem auch an Patientinnen und Patienten mit Problemen der Alltagsbewältigung. Als nächstes Projekt plant Jonietz unter dem Titel „Mein Tages- bzw. Nachtablauf“ eine bewusste Dokumentation und Reflektion der eigenen Erlebnisse innerhalb eines Tages. Die Teilnehmer der Fotokunst-Therapie-Gruppe werden 24 Stunden ihres Lebens als eine Art Fotostory in maximal zwölf Fotomotiven festhalten.

Kontakt: Tagesklinik kbo-Lech-Mangfall-Klinik Garmisch-Partenkirchen, Telefon: 08821 77-6450

 

 

 

 

Von Barbara Falkenberg 31. August 2020